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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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für Finanzdienstleistungen als Mitglied aufgeführt. »MS-Consult?«, fragte er.
    Melanie nickte.
    Wie simpel, dachte Lorinser. MS. Das Initial für Moritz Simmerau. Mitglied im Reit- und Fahrverein. Der Porsche, der laut Messmann genau dort verschwunden war … Was das Finanzamt wohl dazu sagt, wenn es dahinterkommt, dass der Bursche die Kosten seines Privatvergnügens über die Firma abrechnet? Meine Güte, welche Gedanken du dir machst, dachte er und hatte das Gefühl, die Situation hier vor der kameraüberwachten Haustür schon einmal erlebt zu haben. Und, fragte er sich, Melanie besorgt anschauend, wie wird sie es verkraften, wenn sie erfährt, dass ausgerechnet sie den eigenen Bruder ans Messer geliefert hat?
    »Wo hat er sein Pferd eigentlich untergebracht?«, fragte er, bemüht, sich seine doppeldeutigen Gedanken nicht anmerken zu lassen.
    »Er hat zwei«, sagte sie, »und ein drittes hat er sich schon ausgeguckt. Und die stehen in seinem Verein in Düversbruch. Aber nicht mehr lange, dann wird sein Stall gebaut. Direkt hinter dem Haus, zur Weide hin, die er für teuer Geld gepachtet hat. Alles vom Feinsten.« Ihr Lächeln war alles andere als fröhlich, als sie nach einer kurzen Pause hinzufügte: »Mama zahlt’s ja. – Wollen Sie noch auf einen Kaffee reinkommen?«
    »Nein, danke«, sagte er, nickte ihr zu und ging. Erst als er am Wagen war, hörte er, wie die schwere Haustür ins Schloss fiel.
    Kinder hatten auf dem abgeernteten Feld ihre Drachen steigen lassen. Einer von ihnen war abgestürzt und hatte sich mit seinen Leinen in dem Geäst eines der Bäume am Eingang des Reiterhofs verfangen. Dort hing er immer noch, angestrahlt von dem gespenstigen, von Insekten durchblitzten Licht der Hofbeleuchtung. Der kurz vor Mitternacht aufgefrischte Wind spielte mit seinem herabhängenden Papierschwanz, trieb ihn gegen den Stamm, vor und zurück – eine Art verrückt gewordenes Pendel, dessen schattenhafte Bewegung Lorinser mehr noch als die aus dem Lautsprecher dröhnende Kreischstimme Axel Roses vor dem Abdriften in den Schlaf bewahrte.
    Steinbrecher hatte die Nummer angerufen, die Melanie ihm gegeben hatte. Sie gehörte zu einem Ersatzteilhandel in unmittelbarer Nähe der Polizeiinspektion, dem eine Anhängervermietung angeschlossen war. Nein, hatte die Angestellte mitgeteilt, die Herrschaften mit dem Mercedes, die den großen Hänger bestellt und abgeholt hatten, seien gerade eben vom Hof gefahren. So vor fünf Minuten. Falls es wichtig wäre, sei sie aber gerne bereit, den Kunden eine SMS auf das Handy zu schicken. Steinbrecher hatte dankend abgelehnt und seine verschwitzten Hände zum Kühlen in den Fahrtwind gehalten.
    »Wir haben jetzt zehn nach acht«, hatte er gesagt. »Wenn die nicht essen gehen, sind sie in spätestens einer halben Stunde beim Reit- und Fahrverein. Falls denn zutrifft, dass der Porsche da in der Gegend steht und sie ihn tatsächlich beiseiteschaffen wollen.«
    »Hast du Zweifel?«
    »Du etwa nicht?«
    Lorinser war voll davon. Die ganze Geschichte erschien ihm plötzlich zu plausibel. Wieso, fragte er sich, hatte Melanie so bereitwillig Auskunft gegeben? War sie wirklich so naiv, wie sie erschien? Musste sie nicht schon deshalb, weil sie so dicht am Geschehen war, zumindest Verdachtmomente entdeckt haben?
    »Mich macht stutzig, dass sie nichts von der Reiterfigur gewusst haben will«, sagte Steinbrecher. »So’n Trümm kann man doch nicht übersehen! Oder wie siehst du das?«
    »Unwahrscheinlich, wenn es im Haus gewesen ist.«
    »Eben. Und sie hat gewusst, dass ihre Mutter sich von Böse vögeln lässt. Trotzdem legt sie sich ebenfalls für ihn hin, und das, obwohl sie wissen muss, was passiert, wenn sie damit auffliegt. Sie geht volles Risiko. Aber sie ist alles andere als blöd …«
    »Nein, blöd ist sie nicht …«
    »Und so zugedröhnt, wie sie getan hat, war sie auch nicht. Zumindest hat sie nicht wie eine Zugedröhnte geantwortet. Da war alles ordentlich bei Fuß … fast alles. Ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, als wenn … aber dann wieder nicht. Um ehrlich zu sein, ich kann sie nicht einordnen, nicht richtig. Was ich mich frage, ist, ob sie vielleicht von sich ablenken will. Kann doch sein, oder?«
    »Sein kann auch, dass über Grönland ein Asteroid explodiert und ein Splitter davon dir den Sack abrasiert.«
    »Mal nicht den Teufel an die Wand!«
    Lorinser grinste. »Der Teufel hat damit nichts zu tun. Für Strafmaßnahmen ist, wie du in der
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