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Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
Autoren: Klaus Mainzer
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Einleitung
     
     
     
    Das Buch informiert fachübergreifend über den Begriff der Materie. Die Darstellungsweise ist historisch und systematisch. Es geht aber nicht nur um eine enzyklopädische Zusammenstellung von Ergebnissen, wie der Materiebegriff in einzelnen naturwissenschaftlichen Disziplinen verwendet wurde und wird. Die moderne Grundlagendiskussion hat vielmehr gezeigt, daß die traditionelle Unterscheidung von ,toter‘ Materie und Leben unangemessen ist. In der Evolution treten vielmehr komplexe Systeme von Materieformen auf, in denen sich physikalische, chemische, biologische, physiologische, psychologische Prozesse und Zustände überlagern und beeinflussen. Daher werden in diesem Buch materielle Systeme z.B. der Mechanik, Hochenergie- und Festkörperphysik ebenso angesprochen wie z.B. Stoffe der Chemie, Lebensformen der Biologie, physiologische Abläufe des Gehirns oder Materialflüsse in ökologischen Systemen und technisch-industriellen Gesellschaften. Damit gewinnt der Materiebegriff fachübergreifende Bedeutung in Natur-, Technik-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Für weitere Vertiefungen sei auf mein Buch Symmetrien der Natur‘ (1988, engl. 1996) und das Literaturverzeichnis verwiesen.
    Im 1. Kapitel wird die Materie im antiken und mittelalterlichen Weltbild behandelt. In der vorsokratischen Naturphilosophie wird Materie als der Urstoff aufgefaßt, aus dem alles entstanden ist. Für die neuzeitliche Physik wird Demokrits Atomismus bedeutsam. Platon führt Materie auf geometrische Bausteine (‚platonische Körper‘) zurück, die sich durch hohe mathematische Symmetrie auszeichnen. Allerdings dominiert im antiken und mittelalterlichen Denken die aristotelische Unterscheidung von Form und Materie. Die scholastische Naturphilosophie verbindet den aus arabisch-aristotelischen Quellen vermittelten Materiebegriff mit der christlichen Schöpfungslehre.
    Das 2. Kapitel behandelt Materie im Weltbild der klassisehen Physik. Mit der Neubelebung der Atomistik wird der Materiebegriff der neuzeitlichen Mechanik vorbereitet. In Newtons Mechanik werden Trägheit als Beschleunigungswirkung und Schwere als Gravitationswirkung von Massen unterschieden. An die Stelle von Fernkräften treten im 19. Jahrhundert Gravitationsfelder, mit denen die Übertragung von Anziehungskräften im leeren Raum erklärt wird. Auch magnetische und elektrische Eigenschaften der Materie werden zum elektromagnetischen Feld verbunden und zur Erklärung von Lichtwellen herangezogen. Zentral für die klassische Physik ist ferner die Abgrenzung der Materie als Masse von der Energie, für die Gesetze der Erhaltung und Umwandlung formuliert werden. Auf diesem wissenschaftshistorischen Hintergrund diskutiert die neuzeitliche Erkenntnistheorie (z.B. Kant) Materie als Gegenstand der Erfahrung. In der Naturphilosophie des 19. Jahrhunderts werden sowohl idealistische Überhöhungen des Materiebegriffs (z.B. romantische Naturphilosophie) als auch materialistische Absolutheitsansprüche (z.B. dialektischer Materialismus) vertreten.
    In der modernen Physik erweisen sich klassische Abgrenzungen des Materiebegriffs als fraglich. Im 3. Kapitel wird zunächst der Materiebegriff in der Relativitätstheorie behandelt. Masse wird geschwindigkeitsabhängig. Die klassische Unterscheidung von Masse und Energie wird insofern aufgehoben, als nach Einsteins Masse-Energie-Formel Masse in Energie zerstrahlen kann. In der Allgemeinen Relativitätstheorie wird die klassische Unterscheidung von träger und schwerer Masse relativiert. Aus Einsteins Gravitationsgleichung können die kosmologischen Standardmodelle abgeleitet werden, die endliche und unendliche Entwicklungen der Materie mit Anfangssingularität (,Big Bang‘) zulassen. Für eine Entscheidung über diese Modelle muß jedoch die Quantenmechanik als moderne (nicht-klassische) Materietheorie berücksichtigt werden. Materie in der Quantenphysik lautet die Überschrift des 4. Kapitels. Die Quantenmechanik lehrt, daß in der Quantenwelt die anschaulichen Teilchen- und Welleneigenschaften  keine  prinzipiellen  Unterscheidungsformen der Materie sind. In den Quantenfeldtheorien wird der Begriff des Materiefeldes eingeführt, mit dem das dynamische Verhalten von sehr vielen gleichartigen, untereinander in Wechselwirkung stehenden Elementarteilchen beschrieben wird. Daran schließen die modernen Entwicklungstheorien des Universums an, in denen Strahlung als ein sehr früher Zustand des Universums von der
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