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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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den Punkt ab. »Kommen wir zur Porzellanfigur«, sagte er und bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken. »Ihre Tochter behauptet, sie nie im Haus gesehen zu haben. Wie kann das sein?«
    »Ich habe sie erst am Abend davor geschenkt bekommen«, flüsterte Gertraude Simmerau. »Von Jämie.«
    Meine Güte, dachte Lorinser und klickte das Icon zum Ausdrucken des Protokolls an.

Epilog
    »Und?«, fragte Lorinser besorgt.
    Der dickliche Mechaniker wischte sich über dem vor Hitze knisternden Motor die Hände mit einem Lappen ab.
    »Wenn Se Glück haben, isses nur der Keilriemen un’n bissken Wasser.«
    »Und wenn nicht?«
    Der Mann hob die Schultern.
    »So’n Motörchen ist heutzutage der reine Luxus, und ihn zu finden, is auch nicht leicht. Ich würde sagen, tun Se sich’n Gefallen und gehm S’n innen Schrott.«
    »Tun Sie mir das nicht an!«
    »Ich tue kei’m was an, ich sag nur, wie ich’s seh. Und wie ich’s seh, isses nur ’ne Frage der Zeit, bis der sowieso hin muss. Oder Sie stecken richtig rein.« Er rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
    »Haben Sie denn den passenden Keilriemen?«
    »Ma gucken«, sagte der Mechaniker und warf das Tuch auf den kochenden Kühler. »Aber glauben Se ja nich, dass ich das in ’ner halben Stunde hinkrieg. Se können ja so lang im Büro ’n Kaffee trinken. Bis der abgekühlt is, der Motor, und ich an ihn ran kann.«
    Er verschwand in der Werkstatt. Lorinser beugte sich über die glühend heiße Maschine. Waren die aufsteigenden Benzin- und Öldünste die aufdringlichen Boten des Todes? Er sandte ein Stoßgebet ins Irgendwo und hoffte, dass es den richtigen Adressaten erreichte. Den Termin mit Wolfhardt Böse würde er jedenfalls nicht halten können, nicht, wenn er auf das Ergebnis der Untersuchung wartete. Da er sowieso zu warten hatte, entschloss er sich, den geschätzten letzten Kilometer des Weges bis zum Haus des Alten zu Fuß zu gehen.
    Er steckte die beiden Luminolfläschchen ein, die auf dem Beifahrersitz lagen und sagte dem Mechaniker Bescheid, eheer an der Tankstelle vorbei in Richtung Tiemanns Hotel und dann durch den Ort auf den Stemweder Berg zuging. Als er die »Festung« erreichte, entdeckte er neben der Einfahrt einen Sandhaufen und dahinter einen mit Ziegelsteinen beladenen Pritschenwagen. Das Tor war offen. Hinter dem rechten Pfeiler klaffte in der Mauer eine etwa zwei Meter breite Lücke. Darin ein schwitzender Arbeiter, der mit einem Spaten einen quadratischen Schacht aushob.
    »Tag, Herr Böse«, sagte Lorinser, als er den Alten vor dem Aushub entdeckte. »Sieht ja aus, als wäre Ihnen jemand in die Mauer gefahren.«
    Böse maß ihn aus schmalen Augen hinter blitzblanken Brillengläsern. Unter den Augen hingen schwere, bläulich verfärbte Tränensäcke. Das Gesicht, empfand Lorinser, war noch knochiger als bei seinem letzten Besuch. »Diesmal irren Sie sich, junger Mann!«, sagte Böse knurrend, aber nicht unfreundlich. »Da kommt eine Aussparung hin. Und da hinein eine Rosenquarzsäule, zweieinhalb Meter hoch, auf die ich die Stele vom Deich stelle. Und zwar so geschändet wie sie ist. Und es werden Scheinwerfer installiert, die Tag und Nacht darauf gerichtet sind. Auf die Bronzetafel, die zwischen Säulenkapitel und Stele befestigt wird. Und wissen Sie, was ich in die Tafel hineinmeißeln lasse?«
    Lorinser schüttelte den Kopf.
    Böses meckerndes Lachen schallte über den Hof. »Groß und breit«, stieß er bellend hervor, »golden die Schrift, schwarz umrandet wird da zu lesen sein: ›Ihr habt nur euren Frieden gemacht, nicht den eurer Opfer‹. Euren , junger Mann, verstehen Sie?«
    Unversöhnlichkeit über den Tod hinaus, dachte Lorinser und nickte.
    »Einen nicht unbeträchtlichen Teil meines Vermögens werde ich in eine Stiftung einbringen, deren einzige Aufgabe es sein wird, dieses mahnende Angedenken vor diesem unausrottbaren Geist zu bewahren, der, ich bin sicher, seine zerstörerischen Hände danach ausstrecken wird.« Er hielt inne, als hätten ihndie herausgebelferten Worte erschöpft, warf die Schaufel auf den Aushub und blickte Lorinser aus trüben, traurigen Augen an. »Nicht ich, die da unten waren und sind unversöhnlich. Hätten die mir nur ein einziges Zeichen gegeben …« Er drehte sich um, als bereute er, dem Polizisten einen Blick in sein Inneres geboten zu haben. Auf unsicheren Beinen stakste er dem Haus entgegen.
    »Einen Augenblick noch, Herr Böse!«, rief Lorinser ihm nach.
    Böse blieb stehen, drehte sich aber nicht
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