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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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sich schloss.
    »Ob sie das macht?«, fragte Steinbrecher skeptisch.
    Lorinser hob die Schultern. »Ich glaub schon«, sagte er ohne Überzeugung.
    »Und wenn das Fleisch schwach ist, holt sie sie wieder raus.«
    Wo du recht hast, haste recht, dachte Lorinser und suchte auf dem Weg zum Wagen nach einer Zigarette, um was gegen die Leere zu tun, die sich immer mehr in ihm ausbreitete.
    »Ich war sicher, dass sie die Sache mit der Reiterfigur bestätigen würde«, sagte Steinbrecher, als er den Sicherheitsgurt befestigte. »Ich dachte, pass auf, jetzt kommt sie damit raus und … Peng, aus, die Eier sind im Korb. Es war plötzlich alles so verdammt klar, und dann das! Kann natürlich auch sein, dass sie Bescheid weiß und gelogen hat. Was denkst du?«
    »An Katzen«, sagte Lorinser und schob den Schlüssel ins Schloss.
    Steinbrecher tippte sich an die Stirn. »An Katzen?«
    »In Kolumbien hatte ich einen Freund, der eines Tages einen Kater anschleppte. In einem Vogelkäfig. Den kannst du acht Mal totschlagen, hat er gesagt, und dann lebt er immer noch, weil er neun Leben hat. Das hätte er vom Arzt gehört, der es nun wirklich wissen müsste. Er wollte ihn umbringen, um herauszufinden, ob das stimmt. Totaler Blödsinn, habe ich ihm gesagt, niemand hat neun Leben, auch kein Kater. Lass also das arme Vieh in Ruhe. Ich habe ihm erzählt, wie mein Vater eine Katze überfahren hat, und dass da nichts mehr mit Leben war. Er hat sich natürlich nicht überzeugen lassen und ihn umgebracht und drauf gewartet, dass er wieder aufwacht. Passierte natürlich nicht. Trotzdem glaubte er, dass die Viecher neun Leben haben.«
    »Total meschugge, der Kerl!«
    »Nein, er war nur sicher, er hätte eine Katze erwischt, die schon acht Mal gelebt hat.«
    »Das nenne ich Ignoranz mit Todesfolge.«
    »Ja.«
    »Und wie kommst du ausgerechnet jetzt darauf?«
    »Keine Ahnung«, sagte Lorinser und drehte den Schlüssel. Der Motor stotterte, sprang aber nach einigem Würgen an. Lorinser löste die Bremse, schaltete und gab Gas. Kurz vor der Ausfahrt bremste er wieder ab und sah Steinbrecher an. Er deutete mit der rechten Hand auf das Simmerausche Haus.
    »Trug der nicht ’ne Reiterhose? Moritz, ihr Prinzenbruder. Bei unserem Besuch letzte Woche, meine ich.«
    »Ja, und Birkenstocklatschen und drüber ein dunkles T-Shirt mit ’nem ziemlich arroganten Gesicht oben drauf. Wieso?«
    »Weil, wer solch eine Hose trägt, offensichtlich was mit Reiten zu tun hat.«
    »Ich wage nicht, dir zu widersprechen.«
    Lorinser stieg aus. Er lief die etwa zehn Meter zum Hauseingang und klingelte. Der Hund bellte, Melanie schrie, und wenige Augenblicke später tauchte der schwarze Schatten hinter dem Türglas auf.
    »Entschuldigen Sie die nochmalige Störung«, sagte er, als Melanie, den Hund am Halsband, aber jetzt ohne die wärmende Decke, in der Tür stand. »Ihr Bruder ist Reiter, nicht?«
    »Jedenfalls tut er so«, sagte Melanie, lachte auf und zog den Hund zwischen ihre Beine.
    »In einem Verein?«
    »In einem?« Ihre Stimme klang verächtlich, wie immer, wenn ihr Bruder ins Spiel kam. »Der ist überall dabei, weil es angeblich gut für’s Geschäft ist. Dabei gibt er mehr aus, als er reinkriegt. Die Pferde, die Klamotten, die er braucht, und die Runden, die er schmeißt, um sich bei den Leuten einzuschleimen. Aber die gehen brav dahin, wo sie schon immer waren.«
    »Ich hatte den Eindruck, er ist bei Ihrer Mutter beschäftigt.«
    »Ja, das stimmt, aber …« Sie winkte ab. Noch mehr über ihren Bruder zu sprechen, war ihr anscheinend doch zu viel.
    Lorinser fürchtete schon, sie werde blocken und ihn im Regen stehen lassen. Er lächelte sie an und berührte ihre Schulter. »Aber?«, fragte er auffordernd.
    Melanie zögerte immer noch und schien nicht recht zu wissen, ob sie aus dem Nähkästchen plaudern sollte. Aber dann, nach einem Blick auf die Isabella, überwand sie sich und berichtete stockend, dass Moritz zwar nach wie vor ein Gehalt bezöge, aber nach dem »Schmeißen« seines Wirtschaftsfach-Examens mit dem Geld seiner Mutter seinen eigenen Laden im Bereich Versicherungen und Finanzdienstleistungen aufgemacht hätte. Ein Erfolgsei das nicht, und erst recht nicht die Filiale, die er in Verkennung der sozialen und wirtschaftlichen Situation seit Januar mithilfe eines Freundes in Lemförde betreibe.
    Lorinser runzelte die Stirn. Ihm fiel die Mitgliederliste des Reit- und Fahrvereins ein, die Holtkötter ihm überlassen hatte. Auf ihr war eine Firma
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