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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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zum Schießen haben?«
    »Mal den Teufel nicht an die Wand.«
    »Wir haben noch nicht mal Handschellen dabei.«
    »Aber ein Telefon, oder?«
    »Okay«, flüsterte Steinbrecher. »Ich ruf in Diepholz an.«
    »Aber nicht von hier! Geh ein ordentliches Stück in Richtung Auto und sag den Jungens, sie sollen schnell machen und vor allem nicht mit Blaulicht und Sirene heranrauschen. Und vergiss nicht zu sagen, wo wir sind.«
    »Vergesse ich schon nicht«, knurrte Steinbrecher säuerlich. »Meine Birne ist ja noch nicht von deinem verdammten Giftzeug zerschossen.«
    »Wie auch, wenn es kein Ziel findet?«, fragte Lorinser und lachte leise.
    Die Frau, die das Weiß so sehr liebte, hatte sich von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt. Nur ihr schweißüberströmtes, schreckenstarres Gesicht leuchtete wie eine balinesische Tanzmaske im Licht der Scheinwerfer. Entsetzt starrte sie in das Licht, auf die Männer, die sie, geblendet wie sie war, wahrscheinlich lediglich als Schatten wahrnehmen konnte. Ihr Sohn stand noch immer auf dem Hänger, die behandschuhten Hände um das Lenkrad des Porsche gekrallt, die Augen trotz der Helligkeit weit aufgerissen, der Mund offen wie bei einem Schrei. Aber er hatte nicht geschrien. Er hatte laut aufgestöhnt, den Kopf wie in Erwartung eines Knüppelschlags zwischen die Schultern gezogen. Erstarrt, als wäre er schockgefroren, wirkte er wie das geschrumpfte Abbild seiner selbst, ein Verlierer, weich umspült von den einschmeichelnden Klängen des aus dem Mercedes strömenden »Il mio tesoro« aus Mozarts Don Giovanni.
    Als Steinbrecher, begleitet von einem bewaffneten Uniformierten, hinter ihm auftauchte, streckte Moritz Simmerau die Hände ruckartig in Richtung Himmel und verlangte mit schriller Stimme seinen Rechtsanwalt.
    »Wenn wir in der Inspektion sind«, sagte Steinbrecher und forderte den jungen Mann auf abzusteigen.
    Lorinser fand, dass er sich eine Zigarette verdient hatte. Allerdings eine ohne Schuss. Aus Rücksicht auf die uniformiertenKollegen, die tatsächlich ohne Blaulicht und Sirene schon nach zwanzig Minuten eingetroffen waren. Er lehnte sich an den Einsatzwagen und zog das Tabakpäckchen aus der Tasche, während er zusah, wie Moritz Simmerau, von Steinbrecher misstrauisch beobachtet, sich in Richtung des Mercedeshecks hangelte, von der Deichsel aus vom Hänger sprang und, neben seiner Mutter Schutz suchend, den Polizisten abwehrend die Hände entgegenhielt.
    »Ich war’s nicht!«, stieß er mit sich überschlagender Stimme hervor. »Ich hab ihn nicht umgebracht!« Er fiel vor seiner Mutter auf die Knie. »Bitte, sag es ihnen!«, schrillte er flehend und streckte ihr die wie zum Gebet gefalteten Hände entgegen. »Sag ihnen, dass ich es nicht war!«
    Gertraude Simmerau maß ihn mit einem verächtlichen Blick.

16
    Stumm, die Hände um die Armlehnen gekrampft, saß Gertraude Simmerau vor dem Schreibtisch und versuchte vergeblich, Lorinsers Blick zu halten. Immer wieder glitt er ab, wanderte über die kahlen Wände, die neben der Tür an der Wand lehnende Hildebrandt und senkte sich schließlich auf ihre prallen Schenkel, während sich aus ihrer Kehle ein weiteres Mal ein Seufzen aus tiefster Not löste.
    »Möchten Sie noch einen Kaffee?«
    »Ich will, dass Sie mich endlich gehen lassen!«
    »Ob Sie entlassen werden können, wird der Richter entscheiden«, sagte Lorinser geduldig. »Morgen. Das heißt heute«, fügte er nach einem Blick auf seine Armbanduhr zu. Zwei Uhr dreiunddreißig. »Ich kann Ihnen lediglich den Abbruch der Vernehmung und eine Zelle anbieten.«
    »Aber ich habe doch alles gesagt!«
    »Es fehlt noch die Erklärung, wie Böses Leiche in Krögers Güllegrube gelangt ist«, sagte Lorinser und beugte sich über seine Notizen. Seine sowieso nicht besonders leserliche Schrift verschwamm vor seinen Augen. Sein Kopf dröhnte. Er spürte sein Herz, das gegen die unzähligen Tassen Kaffee rebellierte, die er während der schon über eine Stunde dauernden Vernehmung getrunken hatte. Eine Vernehmung, die zögerlich begonnen hatte, als Gertraude Simmeraus Rechtsanwalt ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass er erst am nächsten Tag anreisen könnte. In Fahrt gekommen war sie erst, als Steinbrecher ihr das Geständnis ihres Sohnes vorgelegt hatte.
    Ja, es sei richtig, dass sie sich auf den jungen Böse »eingelassen« habe. Zunächst sei es nicht mehr als mütterliche Zuneigung gewesen, aber Weihnachten, da habe sie Jämie aus Mitleid zu sich eingeladen. Sie
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