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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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nur darauf hinweisen, dass seine Sprüche mit Vorsicht zu genießen sind.« Er blies Lorinser den ätzenden Rauch ins Gesicht.
    »Immerhin haben wir Spuren gefunden. Wer lässt seinen Schuh in der Landschaft liegen? Die Aussage Hollenbergs rundet das Bild lediglich ab.«
    »Warum sollte der junge Kerl sich das Leben nehmen? Dem geht es so gut wie nie zuvor! Der verdient Geld, hat ’n flottes Auto, mit dem er die Mädels flachlegt. Gut aussehen tut er auch noch! Was also macht er? Er zeigt seiner Clique, dass er der Größte ist. So ist das nun mal mit Angebern. Nee, Kollege, der macht mal wieder eine seiner Touren.«
    »Möglicherweise in Richtung Himmel.«
    »Nee, nee, mein Lieber, so einer landet nicht im Himmel!« Ein heftiges Lachen, begleitet vom quälenden Rasseln seiner teergeschädigten Lungen, trieb ihm Tränen in die Augen.
    »Wer weiß«, sagte Lorinser. »Jedenfalls wäre er der zweite, der die Reise von dort antrat. Von der gleichen Stelle aus, wie mir erzählt wurde.«
    »Ach, Johannes und die alten Geschichten!« Bossen seufzte theatralisch und wischte sich mit dem Handrücken die Nässe aus den Augen. »Ich war damals neu hier und hatte einen Riesenbammel, mir die Leiche anzusehen. Sah auch übel aus, wie Hinrich sich zugerichtet hatte. Glücklicherweise musste ich nur zusehen, wie die von der Mordkommission den abgefertigt haben. Meine Meinung ist, so Selbstmörder müssten sich angucken, wie sie danach aussehen. Das würde so manchen davon abhalten.«
    »Ja, könnte der Präventions-Hit sein.«
    Bossen stutzte, lachte trocken auf und drohte mit dem Finger, ohne jedoch auf den Einwurf einzugehen. »Wenn Sie auf einen Zusammenhang spekulieren, mein Freund, dann vergessen Sie dat dumme Tüch von Brudermord und so. Hinrich Böse hat selbst Hand an sich gelegt. Und das hat er, weil er sich mit seinen Chemiebuden trotz seiner genialen Patente ruiniert hat. Wenn ich nicht irre, hat man auch einen Abschiedsbrief gefunden.«
    »Gibt es – neben dem Bruder – Angehörige? Eine Witwe, Kinder?«
    »Frauen waren nicht sein Ding.«
    »Homosexuell?«
    »Weiß ich nicht, will ich auch nicht wissen. Ich weiß nur, dass es ’ne ziemlich traurige Beerdigung war. Zwei, drei Piepelchen aus seiner Firma, der Pastor, die alle froh waren, als es vorbei war.« Die Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Und was den Alten, den Wolfhardt, angeht, der hatte noch nicht mal einen Kranz für seinen Bruder über. Na ja, bei so einem ist wohl auch nix anderes zu erwarten.«
    Klang nicht nur verächtlich, klang, als hätte auch Bossen seine üblen Erfahrungen mit dem Alten vom Berg gemacht.
    »Wie stehen Vater und sein Ziehsohn zueinander?«
    »Jedenfalls nicht wie Vater und Sohn. War bestimmt keine christliche Nächstenliebe im Spiel, als er das Thörstchen adoptierte. Das war Berechnung, ein Schlag ins Kontor seines ehemaligen Verwalters Kröger, dem er nicht das Schwarze unter dem Nagel gönnt.«
    »Wenn er Kröger als Verwalter eingestellt hat, muss er ihm zunächst vertraut haben.«
    »Der traut niemandem, selbst seinem eigenen Arsch nicht, wenn ich das mal so klar sagen darf. Alles, was aus der Gemeinde kommt, ist Gift für ihn. Braucht er mal einen Handwerker, bestellt er ihn von außerhalb. Selbst zum Einkaufen fährt er in die Nachbargemeinden oder gar bis Osnabrück. Nee, aus dem Ort gönnt er keinem was.«
    »So was macht man nicht grundlos, oder?«
    »Alle werden als Ferkel geboren, sagt man, aber aus manchen werden echte Schweine.«
    »Alles nur Biologie, Herr Bossen?«
    »Natürlich nicht.« Der Zigarrenstummel zerplatzte im Ascher. »Hass spielt da schon eine wichtige Rolle. Er kommt nicht davon los, dass die Nazis ihm übel mitgespielt haben. Kann einfach keinen Schlussstrich ziehen, der dösige Starrkopf!«
    »Ist Böse Jude?«
    »Ein weißer, würde ich mal sagen, von Geburt aus nicht.« Bossen lachte, als hätte er einen üblen Witz erzählt.
    »Wieso hatte er Probleme mit den Nazis?«
    »Na ja, wenn man die alten Leute hört, waren die Böses hier die großen Herren. Viel Land, viel Geld und … na ja, wohl auch Großkotzigkeit. War ja eine verdammt arme Gegend. Böse Zungen behaupten, die Nazis wären ganz erschrocken gewesen, als sie die Moore trocken legten und dabei richtige Menschen entdeckten. Hier ging es plötzlich aufwärts, klar, dass fast alle stramm hinter denen standen.«
    »Bis auf die Böses wahrscheinlich.«
    »Die hatten halt ihren eigenen Kopf. Und die Nazis vergaßen solche Leute ja
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