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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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auch Kaufmann und als solcher ein durchtriebener Spekulant, aber von der Landwirtschaft versteht er nichts. Also hat er seine Ländereien an Chemie-Kröger verpachtet. Irgendwann in grauer Vorzeit, so Mitte der fünfziger Jahre, zu einem von heute aus betrachtet lächerlich geringen Preis. Chemie-Krögerverdient sich an den Sachen jedenfalls dumm und dämlich, wenn Sie berücksichtigen, dass er inzwischen für einen Hektar einige hundert Euro verlangen kann und verlangt. Ich wenigstens muss das für meine Weide bezahlen.«
    »Gibt es keine Anpassungsklausel?«
    »Offenbar nicht. Wolfhardt Böse hat da wohl nicht aufgepasst oder sich falsch beraten lassen. Er war ja schon damals recht alt. Was er mit in den Vertrag hat schreiben lassen, war ein Passus, der heute wiederum Chemie-Kröger auf dem Magen liegt. Das Land geht nur dann an ihn, wenn Böse keinen leiblichen Erben einsetzen kann.«
    »Das kann er doch auch nicht?«
    Halvesleben lachte auf.
    »So hat Kröger wohl kalkuliert. Falsch. Böse nahm sich einen Anwalt und ließ sich – diesmal richtig – beraten. Er adoptierte Thorsten und hatte seinen Erben. Kröger stand da mit nassem Fell und schüttelt sich seitdem vor Zorn.«
    »Thorsten ist doch aber nicht sein leiblicher Sohn!«
    »Aber juristisch. Insoweit gibt es anscheinend rechtlich keinen Unterschied mehr. Kröger jedenfalls ist auf den Topf gesetzt worden. Das heißt, er wird wohl aufatmen, wenn zutrifft, dass der junge Böse Selbstmord begangen hat.«
    »War er der Typ?«
    »Thorsten? – Ach, wissen Sie, ich zweifle dran, ob es den Selbstmörder überhaupt gibt. Als Muster, meine ich. Es wird wohl die Situation sein, die einen in den Tod treibt.«
    Lorinser zündete sich eine Zigarette an. »Wie beurteilen Sie Kröger?«
    »Als beinharten Geschäftsmann, der mit allen Salben gerieben ist. Nach außen jovial und überaus nett, aber … jedenfalls sehr wohlhabend.«
    »Der über Leichen gehen könnte?«
    Halvesleben sah Lorinser aus fragenden Augen an. Seine Hände suchten und fanden sich. Kräftige Hände, die ordentlichzupacken konnten. »Ich habe keinerlei Sympathien für ihn, aber verleumden möchte ich ihn auch nicht, wenngleich … Wie gesagt, hier wehen eine Menge Gerüchte …«
    »Über Kröger?«
    »Über die gesamte Mischpoke, die hier während und nach dem Krieg die chemische Industrie aufgebaut hat. Böses Bruder soll damals mit seinen Erfindungen die wichtigste Rolle gespielt haben. Nach seinem Tod muss es nicht nur unter seinen Mitarbeitern heiße Kämpfe um die Produktrechte gegeben haben. Wenn Sie darüber mehr wissen wollen, müssen Sie allerdings Kompetentere fragen. Zum Beispiel den Alten.«
    Lorinser beschloss, genau das zu machen.
    Seine heimliche Hoffnung erfüllte sich nicht, der Gehenkte, wie Lorinser Thorsten Böse in Gedanken nannte, könnte sich an seiner Arbeitsstelle in der Kreissparkasse in Diepholz aufhalten. Böses Vorgesetzter gerierte sich am Telefon zunächst wie ein Geheimnisträger, kam nach einigem Zureden dann doch zur Sache.
    »Nein, ist er nicht, Herr Kriminalobermeister. Er hat sich noch nicht mal zu einem Anruf aufraffen können, obwohl er genau weiß, wie arg im Druck wir sind.« Kurze Pause. »War wohl wieder mal eine lange Nacht, wie?«
    »Nicht auszuschließen. – Ist er zuverlässig?«
    »Nun … alles in allem schon, wenn er hin und wieder auch mit einem Kater zu kämpfen hatte.« Der Herr Abteilungsleiter lachte säuerlich. »Wie diese jungen Burschen heute so sind. Wir haben ja auch mal über die Stränge geschlagen und waren nicht abgeneigt, ein Gläschen über den Durst zu kippen. Nein, unzufrieden bin ich nicht, wirklich nicht. – Was ist denn mit ihm?«
    »Das wissen wir noch nicht«, sagte Lorinser. »Sollte er sich melden oder bei Ihnen auftauchen, bitte ich um Nachricht.«
    Lorinser steckte das Handy ein und blickte misstrauisch durch die zur Blindheit neigende Windschutzscheibe in den sich wieder beziehenden Himmel. Düstere Wolken, von der zwischen ihnenblitzenden Sonne zu einem gewaltigen Hochgebirgsgemälde stilisiert, drängten sich über dem Stemweder Berg zusammen. Es war kurz vor elf. Der Hunger meldete sich mit schmerzhaftem Knurren. Obwohl er hinter einer Bahnüberführung den nach links weisenden Hinweis auf »Tiemanns Hotel, Café und Restaurant« entdeckte, entschloss er sich, die Polizeistation aufzusuchen.
    Vom Vorraum, der sich im Obergeschoss des Hauses befand und unter dem Versuch, ihm mit Urlaubsfotos eine
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