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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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nicht, die waren längst in den schwarzen Büchern registriert. Ob zu Recht oder Unrecht, weiß ich nicht, jedenfalls waren die Böses überzeugt, man werde ihnen das Fell über die Ohren ziehen. Weil sie Angst hatten, sind sie bei Nacht und Nebel nach Frankreich abgehauen. Nur der Hinrich ist geblieben.«
    »Und der hat’s dann ausgebadet, oder wie?«
    »Der Hinrich? Nee, der konnte es ganz gut mit den Braunen. Für ihn wurde es erst bitter, als der Krieg zu Ende war und die Alliierten Fragen zu stellen begannen. Wurde interniert. Nicht lange, ein Jahr oder so, oben in Bremen bei den Tommys. So richtig zusammen kamen die Brüder ja auch nicht mehr, waren wie Hund und Katz und gingen sich aus dem Weg. Bis das Geld dann alle war und er den Schlussstrich gezogen hat, der Hinrich.«
    »Wer hat damals den Fall bearbeitet?«
    »Diepholz. Wir waren ja nur für die Hühnersachen zuständig.«
    »Sie sagten, Hinrich Böse besaß Patente. Wer hat denn die geerbt?«
    »Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich der Bruder. Es gab ja ansonsten keine Familienangehörigen mehr, die Ansprüche hätten geltend machen können. Ob Hinrich überhaupt was vererben konnte, bezweifle ich. Da waren die Gläubiger. Und der Alte hat wohl auch kein Interesse an dem Nachlass gehabt. War froh, dass er sich aus allem raushalten konnte.«
    »Womit er sich schließlich ins eigene Fleisch geschnitten hat?«
    »Wenigstens sieht er das so. Kröger denkt anders darüber. Er hatte Glück und den richtigen Riecher, das ist alles. Aber Böse muss sich bei dem, was er Monat für Monat einstreicht, auch nicht beschweren. – Aber«, fügte er mit einem Blick auf seine goldene Armbanduhr hinzu, »das hat ja wohl nichts mit unserem Thörstchen zu tun, nicht wahr?«
    »Fäden sind oft seltsam gesponnen.« Lorinser betrachtete das plötzlich schlaffe Gesicht des Polizisten, die noch immer vor Nässe glitzernden Augen, in denen der Widerwille, das Gespräch fortzusetzen, deutlich zu erkennen war.
    »Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass der junge Böse isoliert wie Treibgut durch die Landschaft segeln soll. Es muss jemanden geben, bei dem er sich aussprechen, bei dem er Unterschlupf finden kann!«
    »Ist doch eine andere Generation«, sagte Bossen resigniert und ließ den Blick über die Wüstenfotos gleiten. »Mit der hat man nur zu tun, wenn es Ärger gibt …«
    Ein müde gewordener Dorfbulle. Die einstigen Illusionen waren längst mit dem Schleifstaub der dienstlichen Routine verweht. Was geblieben war, war in den aufwendig gerahmten Fotos an der Wand zu erkennen.
    »Und die Mädels? Sie sagten, er hat keine von der Bettkante flitzen lassen.«
    »Dick gemacht und sitzen lassen hat er se!«
    »Haben Sie Namen?«
    »Meinen Sie, die bringen Ihnen was?«
    »Ja.«
    Bossen schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Sie reißen bei den armen Dingern nur alte Wunden auf, aber wenn Sie meinen …« Er hielt inne, strich sich mit der linken Hand über die Stirn. »Inzwischen geht er ja an alles ran, was sich nicht wehrt. Im Festzelt gestern Abend verdrehte er der Simmerau den Kopf, und die könnte seine Großmutter sein. Aber vielleicht ist er klamm und verspricht sich von der was in die Tasche. Geld scheint sie ja zu haben, wenn man sieht, wie viel sie in ihre alte Scheune gesteckt hat.«
    »Wieso glauben Sie, dass zwischen den beiden was war?«
    »Sie war einfach hin und weg. Die Blicke, die Albernheit, das Gegacker! War richtig peinlich, wie die ihm beim Tanzen auf die Pelle kroch. Einen Kerl hat sie ja nicht, wie’s aussieht, und dann kommt plötzlich Adonis höchstpersönlich … Erzählen Sie mir nichts von alternden Weibern!«, fügte er nach einem Seufzen hinzu.
    Bossen war nur eine knappe Stunde geblieben und gegen einundzwanzig Uhr nach Hause gegangen. Ob und wann die beiden das Zelt gemeinsam verlassen hatten, wusste er nicht zu sagen. Nur so viel »zur Person«: Gertraud Simmerau sei Wirtschaftsberaterin, etwa fünfzig Jahre alt, »stamme aus der Freiburger Ecke« und hatte ein durch Brandstiftung ruiniertes Anwesen eines spurlos aus der Gegend verschwundenen Schriftstellers ersteigert undes »mit allen Schikanen« in einen »wahren Palast« umbauen lassen. Sie benutze das Haus nur an wenigen Wochenenden und »höchstens mal« – wie im Augenblick – für einige Wochen im Sommer.
    »Würde mich gar nicht wundern, wenn die ihn kaputtgevögelt hat und er da seinen Rausch ausschläft. – Vielleicht löst ein Anruf Ihr Problem.«
    Bossen schob Lorinser
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