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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut
Autoren: Willi Voss
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es denn eine gegeben hat,abtransportiert wurde. Da sie in unmittelbarer Nähe nicht zu finden ist, schließt sich wohl ein Wegtragen so auf der Schulter aus. Es muss also ein Fahrzeug benutzt worden sein, oder?«
    »Wir haben nur die Spuren von dem Trecker.«
    »Der dem Zeugen Hollenberg gehört … Wer macht so was, Franz? Wer entdeckt einen Toten, schneidet ihn vom Strick und schafft ihn fort?«
    »Vielleicht ein Perverser, der Leichen sammelt?«
    »So große Alben gibt’s nicht.«
    »Ich kann mir jedenfalls keinen Reim drauf machen. Vielleicht bringt ja die Blutanalyse was«, sagte Steinbrecher, den Kofferraum schließend. »Wäre hilfreich, wenn wir von dem Jungen Vergleichsmaterial hätten.«
    »Ich kümmere mich drum«, sagte Lorinser. Seine Blicke wurden von einem weißen Wagen angezogen, der aus Richtung Hüde mit gehörigem Tempo über die schmale Asphaltstraße fuhr und schließlich vor dem offenen Schlagbaum zum Deichweg auf dem Seitenstreifen abrupt zum Stehen kam. Ein Mann stieg aus.
    Steinbrecher fuhr ab. Lorinser ging auf den etwa vierzigjährigen Mann auf dem Parkstreifen zu. Er war gut einen Kopf größer als er, wohlgenährt, rotblond gelockt. Er trug verwaschene Jeans und eine Strickjacke, deren unregelmäßige Muster auf häusliche Handarbeit schließen ließen. Die schlammigen Lederstiefel mit den brüchigen Schäften schien er von seinem Großvater geerbt zu haben. Ein kurzer, abschätzender Blick. Die starken, wie gebleicht wirkenden Brauen hoben sich kaum merklich.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Eine angenehm weiche und kultivierte Stimme.
    »Kann sein«, sagte Lorinser. »Ich bin Kriminalbeamter. Sind Sie Anlieger?«
    »Ja, wenn auch kein begeisterter.« Der Blonde deutete mit dem Fernglas hinter sich. »Ich heiße Halvesleben. Mein Haus steht dort, wo es so schön dunkel ist.« Seine linke Hand wies auf eine entfernte Baumgruppe, durch die kaum erkennbar ein weißesFachwerkhaus mit schwarzen Balken zu erkennen war. »Fand ich anfangs wunderbar, bis sich herausstellte, dass die Ecke hier ein abgebrochenes Stück vom Mond ist.«
    »Ausgesprochen idyllisch jedenfalls.«
    »Auf den ersten Blick, ja. Aber das Leben hier draußen ist problematischer, als Heino Müller es sich vorstellen kann. – Haben die russlanddeutschen Raubfischer mal wieder mit Handgranaten die Hunte beangelt?«
    »Ach, machen die das?«
    »Als Polizist sollten Sie das wissen. Wegen der Handgranaten, die auch mal in irgendeinem Wohnzimmer landen könnten.«
    »Ich bin sicher, da kümmert man sich an der richtigen Stelle drum. Mir geht es um sachdienliche Hinweise in einem möglichen Todesfall.«
    Lorinser sah keinen Anlass, die Situation nicht zu erklären. Ohne Namen zu nennen, schilderte er den Vorfall.
    »Wir sind zwar recht spät zu Bett gegangen«, sagte Halvesleben, die Augen auf die stolz über dem Damm ragende Esche richtend. »So gegen Mitternacht. Aber nein, bis dahin haben wir nichts Außergewöhnliches bemerkt. Wer ist denn dort zu Tode gekommen? Jemand aus dem Flecken?«
    »Sagt Ihnen der Name Thorsten Böse etwas?«
    Halvesleben lachte auf. Bitter, meinte Lorinser.
    »Mehr als genug. Hat der sich was angetan?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Halvesleben lachte wieder. Aber ganz und gar nicht fröhlich. »Erstens wär’s ein Segen für den Landstrich und zweitens kein Wunder bei dem Vater.«
    »Können Sie das genauer erklären?«
    »Ein Phänomen?« Er hielt dem Beamten die offenen Handflächen entgegen. »Der alte Böse ist ein Mysterium, ein Grenzfall, wenn Sie so wollen. Ein Typ, bei dem Sie vergebens fragen, was in ihm vorgeht. Ein echtes Ekel! Einerseits ein Original, andererseits die pure Bosheit, auch wenn die Adoption dieses Jungen bei naiver Betrachtung einen anderen Schluss zulässt. Aber auch das war Bosheit. Chemie-Kröger, seinem ehemaligen Verwalter gegenüber, dem der Alte mit der Adoption eins auswischen wollte.«
    »Sie scheinen ihn richtig zu lieben.«
    »Ich verabscheue ihn. Mitsamt seinem Sohn.«
    »Warum?«
    »Ich habe das Halbhaus da im Moor vor etwa zehn Jahren gekauft. Von alten Leuten, denen lediglich das Gemäuer, jedoch nicht das Grundstück gehörte. Erbpacht, verstehen Sie? Ich bekam das Anwesen frei von sämtlichen Belastungen. So wenigstens stand es im Notarvertrag. Dummerweise übersah ich, dass Wolfhardt Böse mit einem winzigen Anteil einer Leibrente im Grundbuch eingetragen war. Keine Tragik, glaubte ich, bis ich versuchte, das Haus mit einem Ausbaukredit zu belasten. Die
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