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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln
Autoren: Sujata
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hatten. Dann überraschte mich Mrs. Morita, indem sie die Kiste in ein hübsches rosafarbenes Tuch einwickelte. So entstand eine furoshiki- Tragetasche, mit der ich mich auf der Straße sehen lassen konnte.
    »Das furoshiki können Sie behalten«, meinte sie. »Es ist kirschblütenrosa; das paßt gut zu Ihrem hübschen Kleid.«
    Ich hatte mir Tante Nories Hinweis zu Herzen genommen und trug ein zartrosafarbenes Piquékleid mit weißem Kragen und weißen Manschetten. Zwar war es ziemlich kurz, aber Kragen und Manschetten ließen mich darin fast ein bißchen schulmädchenhaft aussehen, und dieser Look war in Tokio ein Dauerbrenner. Das bewiesen mir die bewundernden Blicke, als ich durch Mrs. Moritas teures Wohnviertel ging. Das Kleid hatte meine Mutter bereits Ende der Swinging Sixties getragen. Wahrscheinlich hatte sie darin großen Eindruck gemacht auf meinen Vater, einen jungen Arzt, der während seiner Nachtschicht im Johns Hopkins Hospital immer gegen den Schlaf ankämpfte. Die Eltern meines Vaters waren alles andere als glücklich gewesen, als er ihnen verkündete, er wolle eine weiße Amerikanerin heiraten, doch sein jüngerer Bruder Hiroshi, der später mit Norie den Bund der Ehe schloß, hatte ihn unterstützt. Onkel Hiroshi und Tante Norie hatten mich von Anfang an jeden Sommer zu sich nach Yokohama eingeladen. Diese regelmäßigen Besuche weckten meine Leidenschaft für das Land meines Vaters, und darunter hatten dann irgendwann meine Eltern zu leiden. In vier Jahren war ich nur ein einziges Mal nach San Francisco heimgekehrt, und zwar, als ich mich am linken Knie operieren lassen mußte.
    Im Sommer des vorhergehenden Jahres war ich von einem Auto angefahren worden, doch das Knie war gut geheilt. Sonst hätte ich das ständige Treppensteigen nie geschafft, das einem das Leben in Tokio abverlangte. Ich war ein bißchen außer Atem, als ich die Stufen zum Ausgang der Roppongi Station erklomm und mich auf den Weg zu My Magic Forest machte.
    Wenn japanische Händler ihrem Laden eine englische Bezeichnung geben, kommt oft etwas Komisches dabei heraus. Doch dieses Geschäft machte seinem märchenhaften Namen alle Ehre. Als ich es betrat, kam ich an zehn Meter hohen, von Efeu umrankten und mit Weihnachtslichtern geschmückten pseudogriechischen Säulen vorbei. Dahinter befand sich ein schummrig beleuchteter Markt mit Phantasieblumen, in dem ich gut und gerne eine ganze Stunde hätte zubringen können. Ich schlenderte von einer holländischen Tulpenfarm mit einer kleinen Windmühle zu einem fröhlichen englischen Cottage-Garten und dann geradewegs in die Toskana, wo Zitronenbäumchen aus Terrakottagefäßen und weiße Rosen aus einer auf alt gemachten Amphore wuchsen.
    Die Kayama-Schule bestellte die Blumen von denselben Lieferanten wie My Magic Forest, aber die Ware, die ich in der Schule gesehen hatte, war weit weniger üppig gewesen als die hier im Laden. Ich beugte mich über die mit Grünspan bedeckte Amphore für 500 Dollar und atmete den Duft der prächtigen Rosen ein, das Stück zu 15 Dollar. Hier fand die japanische Philosophie des »Weniger ist mehr« ganz eindeutig keine Anwendung.
    »Rei -chan! Ist es nicht wunderschön hier?« Meine Tante war von hinten zu mir getreten. Sie hatte einen Einkaufskorb in der Hand, in dem sich bereits ein Keramikübertopf mit lebhaftem portugiesischem Muster sowie eine gußeiserne Ikebana-Schere mit großen runden Griffen befanden.
    »Ja, wunderschön.« Allerdings zuckte ich beim Anblick des Preisschilds ein wenig zusammen. Beim gegenwärtigen Umrechnungskurs von 145 Yen für einen US-Dollar kostete die Schere ungefähr siebzig Dollar. »Willst du wirklich so teure Geschenke kaufen? Es gibt auch einige Sonderangebote. Zum Beispiel die Iris hier drüben.«
    »Die Lehrer bekommen alle Blumen, die sie brauchen, von der Schule gestellt. Hochwertiges Handwerkszeug ist deshalb ein besseres Geschenk. Erinnerst du dich nicht mehr, daß Sakura nach einer Schere gefragt hat? Es wäre eine besondere Aufmerksamkeit, ihr eine neue zu schenken. Und Mrs. Koda hat einen kleinen Fenstergarten in ihrer Wohnung, also würde sie sich über einen hübschen Übertopf sicher freuen.«
    »Na schön. Dann schulde ich dir fünftausend Yen für die Schere. Und was macht der Übertopf?« fragte ich pflichtschuldig.
    »Du schuldest mir überhaupt nichts, auch wenn ich sagen werde, daß die Geschenke von uns beiden sind, neh? Schließlich bin ich für die ganze Aufregung verantwortlich. Außerdem
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