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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht
Autoren: Franziska Gehm
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wahr er Blodtørst hieß!
    »Na schön, meine Liebe«, sagte er und griff zu seinem Chipsstapel. »Ich gehe mit.« Er hob fünf Chips ab (Geschmacksrichtung ›Blutwurst‹) und schob sie zur Mitte des Sargdeckels. Dann sah er seine Mitspielerin herausfordernd an.
    Oma Zezci zupfte an der kleinen roten Fliege, die sie um den hochgeschlossenen Blusenkragen gebunden hatte. Sie hatte ein dunkelblaues Kleid an und um den linken Arm hing ein schwarzer Regenschirm. Wäre sie nicht so blass gewesen und hätte sie nicht so lange, spitze Eckzähne gehabt, hätte man sie für Mary Poppins halten können. Oma Zezci wackelte einen Moment unentschlossen mit den schneeweißen Fingern. Dann wanderten ihre Finger zum Chipsstapel. »Ich erhöhe um zehn Chips!«
    »Um ZEHN?« Beinahe hätte Blodtørst seine Karten fallen lassen. Um so viele Chips, wie jetzt auf dem Sarg lagen, hatte er noch nie in seinem Leben gespielt. Nicht nur das. Die Chips, um die er heute mit Zezcilia spielte, waren auch noch seine beiden Lieblingsgeschmacksrichtungen. Bei dem Gedanken daran, dass er gleich alle Chipsstapel einsacken würde, sammelte sich ein Speicheltropfen an seinem linken Eckzahn.
    Allerdings ... Zezcilia Morta Dentiba Tepes musste wirklich ein Traumblatt haben, wenn sie so hoch pokerte. Was, wenn nicht er, sondern sie alle Chips einsackte? Nein, das durfte, das konnte, das würde nicht passieren!
    Blodtørst musterte die Karten in seiner Hand. Sie waren gut. Aber waren sie gut genug? Er zögerte einen Moment, dann verkündete er: »Ich nehme noch eine Karte.« Er legte eine Karte ab und nahm eine neue vom Stapel. Vorsichtig hob er die Karte hoch. Als er erkannte, was er gezogen hatte, grinste er so breit, dass man sein braunes Zahnfleisch sehen konnte. Es war das Herzass. Genau die Karte, die ihm zum großen Pokerblatt ›Full Moon
noch gefehlt hatte. Mit diesem Blatt konnte Blodtørst jetzt nur noch gewinnen. Es bestand kein Zweifel mehr: Er war der größte Poker-Vampyr aller Zeiten, er würde all die köstlichen Chips einsacken und Zezcilia würde leer ausgehen. Vielleicht, überlegte Blodtørst, würde er seiner Mitspielerin einen Trost-Chip gönnen. Aber nur vielleicht.
    »Ich verdreifache meinen gesamten Einsatz«, sagte Blodtørst und schob einen gewaltigen Berg aus Chips über den Sargdeckel.
    »Eine hervorragende Idee, mein lieber Blodtørst«, sagte Oma Zezci.
    »Für dich, unübertroffen modrige Zezcilia, wäre es eine hervorragende Idee, jetzt zu passen«, erwiderte der Vampyr. »Ich will schließlich nicht, dass du noch deinen letzten Chip verspielst, beleidigt bist und nie wieder auf Stumpbjergen landest. Also, decken wir auf?«
    Oma Zezci hielt sich ihr Blatt wie einen Fächer vors Gesicht. Dahinter lächelte sie genüsslich. Einen Moment erwiderte sie nichts. Doch sie schien nicht zu zögern, vielmehr wirkte sie, als wolle sie die Sekunden der Vorfreude auskosten. »Ganz wie du willst«, sagte sie schließlich und legte die Karten entschlossen auf den Tisch. Sie sah ihren Pokerpartner triumphierend an. »Ein Prunk-Patt. Das höchste Pokerblatt.«
    Blodtørst klappte erst der Mund auf, dann klappten seine Karten auf den Sargdeckel. »Nö, oder?«, sagte er dumpf.
    »Und damit«, fuhr Oma Zezci ungerührt fort, »habe ich diese wundervolle kleine Pokerrunde gewonnen.« Sie erhob sich, spannte den schwarzen Regenschirm auf, drehte ihn um und schob alle Chips, die auf dem Sarg lagen, in den Schirm. Dann gab sie Blodtørst eine Kopfnuss, lächelte, sagte »Datiboi und Azdio. Es war mir ein mordsmodriges Vergnügen« und schwebte auf den Höhlenausgang zu.
    Alles ging ratzfatz. Blodtørst hatte das Gefühl, vor seinen Augen wurde ein Film im schnellen Vorlauf abgespielt. Er sah Zezcilia Morta Dentiba Tepes nach, dann sah er auf die Karten, die sie auf dem Sargdeckel abgelegt hatte. Tatsache. Ein Prunk-Patt. Nicht nur das höchste, sondern auch das seltenste Pokerblatt. Die Wahrscheinlichkeit, ein Prunk-Patt zu haben, betrug 0,000133 Prozent. Es war also nahezu unmöglich. Dennoch, da lagen sie vor ihm, die Karten eines Prunk-Patts: eine Herzzehn, ein Herzbube, eine Herzdame, ein Herzkönig und ein Herzass.
    EIN HERZASS?!?
    Hastig griff Blodtørst nach seinen Karten. Da war es, sein Herzass. Wie konnte seine Mitspielerin da auch ein Herzass haben? Es gab nur eine Erklärung.
    »Zezcilia Morta Dentiba Tepes! Komm sofort zurück, du lausige, ranzige, fliegendrecklutschende Falschspielerin!«, schrie Blodtørst und schoss durch die
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