Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
waren ihre Arme, auf die sie lauter Spinnen, Totenköpfe und Zombies gemalt hatte.
    Das andere Mädchen hatte zwar keine Kugelschreiber-Tatoos auf den Armen, dafür sah sie selbst aus wie ein Zombie. Ihre schwarze Strumpfhose erinnerte an ein Spinnennetz. Ihre kurze Jeans war ausgefranst. Ihr Pulli hatte Fledermausärmel. Die Schnürsenkel an ihren Knöchelschuhen sahen aus wie Schlangen. Ihre kurzen schwarzen Haare standen nach allen Seiten ab und ihr Gesicht war leichenblass. Bis auf ein Kreuz aus Pickeln auf der Stirn. Nicht zum ersten Mal musste Herr Graup beim Anblick von Dakaria Tepes an eine giftige fleischfressende Pflanze denken.
    »Helene Steinbrück und Dakaria Tepes«, sagte Herr Graup. »Wie schön, dass ihr heute auch noch im Unterricht vorbeischaut. Habt ihr euch im Schulgebäude verlaufen?«
    »Tut uns wirklich leid, dass wir zu spät kommen«, sagte Helene, »aber wir ... wir wurden aufgehalten.«
    »Auf dem Mädchenklo«, fügte Daka hinzu.
    Herr Graup zog die Augenbrauen hoch. »Von wem? Der Putzfrau?«
    »Von Silvania. Ihr geht es gar nicht gut«, erklärte Helene.
    »Was hat sie?«, wollte Herr Graup wissen. »Schwindel? Fieber? Magenprobleme?«
    »Sie hat Probleme mit ihrem Gesicht«, sagte Daka.
    »Also, nicht das ganze Gesicht. Nur eine bestimmte Problemzone«, ergänzte Helene.
    »Ein Problemstreifen«, steuerte Daka bei.
    »Aber kein Grund zu Sorge«, sagte Helene. »Das ist so 'ne Mädchensache.«
    »Eigentlich eher eine Jungensache«, fand Daka.
    »Stimmt. Wenn man es genau nimmt, eine Männersache«, gab ihr Helene Recht.
    »Auf jeden Fall ist es eine sehr haarige Angelegenheit«, sagte Daka.
    Herr Graup blickte zwischen Daka und Helene hin und her und sah immer verwirrter aus.
    Die Schüler hatten längst aufgehört mit dem stillen Lesen. Sie verfolgten das Geschehen am Lehrertisch aufmerksam und machten so neugierige und aufgeweckte Gesichter wie selten im Unterricht von Herrn Graup. Selbst Ludo.
    Ludo Schwarzer war der beste Freund der Vampirschwestern und von Helene. Er machte so gut wie nie ein neugieriges Gesicht, da er meistens schon wusste, was gleich geschah. Ludo konnte hellsehen. Und er konnte mit Geistern reden. Das war natürlich ein Geheimnis. Genau wie das Hörgerät von Helene, das sie hinter ihren langen blonden Haaren verbarg, und wie das Vampirblut, das in Dakas und Silvanias Adern floss.
    Martin Graup schüttelte kurz den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Thermostasse, als wolle er damit all die wirren Erklärungen hinunterspülen, die er gerade von den beiden Mädchen gehört hatte. Die Ausreden der Schüler wurden immer komplizierter. Früher hieß es noch ›hab verschlafen‹ oder ›ich musste so lange an der Ampel stehen‹ oder ›meine Eltern haben die Möbel umgestellt und ich habe die Haustür nicht mehr gefunden‹.
    »Setzen!«, stieß Herr Graup schließlich hervor.
    Helene und Daka eilten auf ihre Plätze. Doch im letzten Moment überlegte es sich ihr Klassenlehrer anders. »Moment. Du bleibst gleich mal hier vorne«, sagte er und tippte Daka an die Schulter. Er zeigte auf einen großen Globus, der neben dem Lehrertisch stand. »Zeig uns mal die drei höchsten Berge der Welt, Dakaria.«
    Martin Graup liebte diese Übung. Er nannte sie »Die Top-3". Er ließ Schüler die drei größten Wüsten, die drei längsten Flüsse oder die drei untersten Schichten der Erdatmosphäre aufzählen. Auch nach der Schule teilte Martin Graup die Welt gerne in die Top-3 ein. Er kannte seine Top-3 Urlaubsorte, seine Top-3 Frühstücksmüslis und seine Top-3 Freunde.
    Daka stellte ihre Tasche ab und trat widerwillig an den Globus. »Der höchste Berg«, begann sie, wobei sich ihre Stimme am Ende plötzlich hochschraubte, als wäre sie auf die höchste Tonstufe geklettert. Daka räusperte sich und setzte erneut an. »Der höchste Berg ...« Ihre Stimme war nur noch ein Quietschen.
    Sally, die in der letzten Reihe saß, kreischte als Erste los. »Voll die Schlumpfstimme!«
    »Klingt wie ein Eichhörnchen im Schnellwaschgang«, fand Lucas Glöckner, der selbst zwar aussah wie ein Wildschwein, das noch nie einen Waschgang erlebt hatte, aber eine glockenhelle Stimme hatte.
    »RUHE!« Herr Graup ließ seinen strengen Blick über die Klasse schweifen. Dann sah er zu Daka. »Mach weiter. Und sprich bitte normal.«
    »Der höchste Berg der Welt ist der Mount Everest«, piepste Daka. Wäre sie kein extrem blasser Halbvampir gewesen, wäre sie knallrot angelaufen. So
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher