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Ein Tag und zwei Leben (Episode 3)

Ein Tag und zwei Leben (Episode 3)

Titel: Ein Tag und zwei Leben (Episode 3)
Autoren: Adriana Popescu
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    17:15 Uhr
     
    »Schatz, ich glaube, so viel Tonnen Fleisch isst kein Mensch.«
    Tobi legt die Arme von hinten um mich und küsst meine Wange. Wir stehen in der Küche meiner Wohnung und scheinen Hühnerfleisch in kleine Stücke. Wie immer soll es Fondue geben. Wie immer werden wir zu viel Fleisch haben und uns die nächsten drei Tage davon ernähren. Aber ich bin lieber gut vorbereitet. Vor allem aber lenkt es mich ab. Von allem, was heute passieren kann, vermutlich passieren wird – und von allem, was niemals passieren darf. Tobi rührt die Suppe auf der Herdplatte um und sieht mich besorgt an.
    »Alles okay?«
    Ich nicke und schneide so enthusiastisch wie nur möglich Fleischstücke aus der Hühnerbrust vor mir.
    »Klaro! Alles paletti.«
    Das sind Worte, die man nicht sagt, wenn wirklich alles okay ist. Ganz im Gegenteil! Man sagt so Floskeln nur dann, wenn einen etwas beschäftigt. Tobi wischt sich die Hände an seinem grauen T-Shirt ab und greift nach meinem Arm. Verdammt! Ich vergesse immer wieder, wie gut er mich kennt …
    »Schau mich mal an.«
    Es fällt mir blöderweise ziemlich schwer, Menschen anzusehen, wenn ich lüge. Aber ich gebe mir Mühe. Verdammt große Mühe.
    »Ja?«
    Ich präsentiere ein Lächeln, das so falsch ist wie die Brüste von Ramona Drews. Ob es reicht, um Tobi zu täuschen, das weiß ich nicht.
    »Jedes Jahr machst du dich so verrückt. Die Party wird gut, wie jedes Jahr.«
    Oberflächlich gesehen mag er ja recht haben. Sicher, die Leute amüsieren sich gut, es gehen zwei, drei Gläser zu Bruch und irgendjemand kotzt in unser Bad. Das ist okay, das ist eben eine Party an Silvester. Wenn man aber etwas genauer hinsieht, dann sind Partys zu Silvester immer ein bisschen Scheiße. Immer hat eine andere Frau das schönere Kleid oder das bessere Make-up, ein Typ küsst am Ende immer die falsche Frau um Mitternacht, und eine weint immer. Möchte jemand einen Tipp abgeben, welche Rolle für mich übrig bleibt?
    »Du hast ja recht.«
    »Und wenn jemand Stress macht, dann setze ich ihn persönlich vor die Tür.«
    Er sagt jemand – aber er meint Damian. Seit Nikolaus haben wir uns nur sehr selten gesehen und immer war es irgendwie komisch. Simone scheint gerade eine Phase der unendlichen Verliebtheit zu durchlaufen und ist nicht von seiner Seite wegzudenken. Tobi und er wechseln noch weniger Worte als ohnehin schon. Nicht mal, wenn sie zusammen im Club Schicht haben. Auch zwischen Damian und mir scheinen Dinge zu stehen, die wir im letzten Monat nicht so recht aus dem Weg geräumt haben. Keine Ahnung, wie ich das anfangen soll. Die wenigen Male, die ich ihn alleine erwische, ist es um uns herum entweder unendlich laut, oder Damian ist unheimlich kurz angebunden. Dabei gibt es so viel zu sagen, und er weiß das ebenso wie ich. Nur wie sagt man Dinge, für die man schon so viel Zeit hatte und es doch nie über die Lippen brachte?
    »Hast du die Karaoke-DVDs besorgt?«
    Tobi nickt begeistert und grinst mich breit an. Wenn er so aussieht, erinnert er mich an eine 12jährige Version seiner selbst. Ganz ohne das Tattoo auf der Innenseite seines Oberarms, ohne den leichten Dreitagebart und ohne die müden Augen nach einer Nachtschicht an der Theke vom Club.
    »Alle Klassiker und aktuellen Songs sind am Start! Es kann also losgehen!«
    Tobi, der ewige Musikliebhaber, strahlt über alle Backen und die Sorgen sind für diesen Moment vergessen. Damian mag vielleicht nicht besonders begeistert gewesen zu sein, aber zumindest hat er meine Einladung sofort angenommen und wir werden uns die Laune nicht verderben lassen.
    »Singst du mit mir ein Duett?«
    Ich kann nur lachen. Das kann unmöglich sein Ernst sein.
    »Du hast mich doch schon singen hören.«
    »Na und? Eines deiner Liebeslieder, die du immer unter der Dusche schmetterst.«
    Er zwinkert mir zu und dreht sich wieder zur Suppe. Tobi, der manchmal ein echter Idiot sein kann, steht mit mir in der Küche und rührt die Suppe für das Fondue meiner Silvester-Party um. Eine Party, die er liebend gerne absagen würde, weil er nicht auf solche Events steht.
    »Danke, Tobi.«
    Ich muss es sagen. Weil wir eine gute Phase haben. Ja, er hat mir die Winterreifen montiert, das reicht manchmal, um mich in ein emotionales Chaos zu werfen. Aber es ist nicht nur das. Es ist die Art und Weise, wie mich Tobi seit einer kleinen Weile ansieht und wie ich mich bei ihm fühle.
    »Das hört man auch immer seltener.«
    Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und legt
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