Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
leuchteten nur die Pickel auf ihrer Stirn noch kräftiger. Fast sah es aus, als würde das Pickelkreuz blinken. Daka räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über den Hals.
    »Hast du einen Frosch im Hals?«, fragte Herr Graup.
    »Nee, 'nen Schlumpf!«, rief Sally.
    »Tut mir leid«, piepste Daka. »Ich kann nichts dafür. Meine Stimmbänder flopsen zurzeit ständig von einer Oktave zur anderen.« Wie zum Beweis sackte Dakas Stimme bei den letzten Worten in den Keller. Sie sprach so tief, dass jeder sibirische Männerchor Daka sofort mit Kusshand als Verstärkung aufgenommen hätte.
    »Abgefahren«, hauchte Sally, die zur Abwechslung mal weder kreischte noch kicherte.
    »Cool. Wie machst du das?«, fragte Lucas mit Knabenchorstimme.
    Ludo und Helene sahen Daka besorgt an.
    Martin Graup schloss eine Sekunde die Augen. Seit Silvania und Dakaria Tepes in seine Klasse gekommen waren, benahmen sie sich auffällig. Silvania hatte ihm gleich am ersten Schultag eine Tomate ans Hemd gedrückt. Daka war mitten im Unterricht eingeschlafen und hatte dabei gesabbert. Ein paar Tage später hatte Silvania eine Schulbank zu Kleinholz zerschlagen und jetzt machte Dakaria einen auf Stimmenkomiker. Herrn Graup war klar, dass sie ihn nur provozieren wollte. Aber da konnte sie lange warten. Scherzkekse bremste man am besten aus, indem man nicht weiter auf ihre Scherze einging.
    »Na schön, Dakaria. Dann zeig uns mal den Mount Everest.« Er setzte sich mit einem Bein auf den Lehrertisch und verschränkte die Arme.
    Daka gab dem Globus mit den Fingern einen kleinen Schubs, woraufhin er sich zu drehen begann. Sie wusste, dass der Mount Everest in Asien lag. In Asien kannte sie sich aus. Erst vor Kurzem war sie mit Silvania bei ihrem gemeinsamen Freund Kerul in der Mongolei gewesen. Die Mongolei würde sie ganz bestimmt auf dem Globus finden. Der Mount Everest konnte dann nicht mehr weit sein.
    Doch plötzlich wurde Daka schummrig. Als würde sich nicht nur der Globus, sondern die ganze Welt drehen. Sie blinzelte. Sie schnappte nach Luft. Sie spürte ein Stechen in der Brust. Dann einen Druck auf der Brust, und schließlich ein Ziehen.
    Als der Globus stehen blieb, war das Schwindelgefühl verschwunden. Direkt vor Dakas Nase lag Asien auf dem Globus. Sie fuhr mit dem Finger über die Kugel, bis sie den Mount Everest gefunden hatte. »Da liegt er. Der höchste Berg der Welt!« Daka streckte die Brust heraus und sah selbstbewusst in die Klasse.
    Lucas Glöckner starrte auf Dakas Brust. »Der Mount Everest«, hauchte er fassungslos.
    Unwillkürlich schoss Dakas Hand nach oben auf ihre Brust. Links war alles, wie es sein sollte. Schön flach. Die Dakasche Tiefebene. Doch schlotz zoppo! Was war das rechts? Dort war eine Beule, so groß wie ein Tennisball, die Daka aber mindestens so groß wie der Mount Everest vorkam. Sie hatte von einer Sekunde auf die andere eine Brust bekommen! Eine richtige, echte Frauenbrust. Mitten am helllichten Tag. Mitten im Unterricht. Neben einem Globus. Vor der gesamten Klasse.
    Es war furchtbar.
    Andereseits: Immerhin, es war nur eine.
    Doch wenn Lucas Glöckner Dakas Brustbeule gesehen hatte, würde sie auch allen anderen gleich auffallen.
    Mit einem Satz verschwand Daka hinter dem Globus. Sie warf Helene und Ludo verzweifelte Blicke zu.
    »Das war richtig, Daka. Du brauchst dich nicht zu verstecken«, sagte Martin Graup, der von Dakas plötzlichem ganz persönlichen Gipfelsturm nichts mitbekommen hatte. Er nahm einen Schluck aus seiner Hund-Katze-Kuscheltasse und fragte: »Und wie heißt der zweithöchste Berg?«
    »Das würde ich Ihnen wirklich gerne sagen, Herr Graup«, piepste Daka und schob sich und den Globus mit seitlichen Tippelschritten Richtung Tür, »aber leider muss ich ganz dringend mal wohin. Wissen Sie, ich hab an den ganzen Schnee auf dem Mount Everest gedacht und die Kälte und den langen Weg zum Gipfel und deswegen ... na ja«, fuhr Daka fort, bis sie die Tür erreicht hatte, »muss ich jetzt ganz dringend für kleine Geografieschülerinnen.« Mit diesen Worten riss Daka die Tür auf, huschte hinter dem Globus hervor, zur Tür hinaus und verschwand auf dem Gang. Dabei presste die den Arm über die Brust.
    Herr Graup sah Daka verstört nach.
    Doch nicht so verstört wie Lucas Glöckner.

Sorgen
sondergleichen
    E lvira Tepes saß mit einer Tasse Tee in der Hand auf einer Klobrille. Die Klobrille war mit graublauem Samt überzogen und lag auf einem Stuhl. Der Stuhl stand in einem kleinen Laden in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher