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Verschollen

Titel: Verschollen
Autoren: Åke Smedberg
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    Er hatte sich durch das Gebüsch am Wegesrand gezwängt und gerade einen halben Schritt auf den Weg getan, als er das Auto und die Männer sah. Einer von ihnen stand ihm zugewandt. Er erkannte ihn sofort wieder, ließ den Plastiksack fallen, drehte sich um und begann zu rennen.
    »Hol dir den Dreckskerl! Ihm nach, verdammt noch mal!«
    Er warf einen Blick über die Schulter. Er hatte etwa fünfundzwanzig Meter Vorsprung, erkannte jedoch, dass dies niemals ausreichen würde. Sein Verfolger war um die dreißig und lief mit weit ausholenden Schritten.
    Hastig zerrte er seine Kapuze aus der Trainingsjacke hervor und zog sie sich im Lauf über den Kopf.
    Sie hatten also auf ihn gewartet. Er war nicht sonderlich überrascht, aber er hatte etwas anderes im Sinn gehabt.
    Kurz vor der Ortschaft war er abgebogen und nach Norden gefahren. Zuerst einige Kilometer lang auf rissigem Asphalt, dann weiter auf einem Waldweg, der geradewegs nach Osten führte. Der Weg war wohl erst vor kurzem angelegt worden. Damals hatte es ihn noch nicht gegeben. Die alte Landstraße verlief näher am See entlang. Als der Weg hinauf zu dem lang gestreckten Bergrücken anstieg, hielt er kurz an, kurbelte das Fenster herunter und blickte hinaus. Zu seiner Linken, in einigen Kilometern Entfernung, lagen der längliche See und dahinter ein paar Häuser und Felder. Er warf einen Blick auf die Karte auf dem Beifahrersitz.
    Hundegebell ließ ihn plötzlich aufsehen. Er nahm das Fernglas aus dem Handschuhfach, setzte es an. Aus einem der Schornsteine stieg Rauch auf, er fixierte die Stelle. Registrierte das Auto vor dem Haus. Und den Hundezwinger, in dem er den hartnäckig bellenden Hund erkennen konnte.
    Dann legte er das Fernglas beiseite und fuhr weiter.
    Nach einer Weile überquerte er den Fluss. Es gab kein Brückengeländer, das verraten hätte, dass er dort verlief, nur ein Rohr, das in den Weg eingebettet war und den Wagen beim Befahren hochspringen ließ. Zwei leichte Stöße. Im Rückspiegel sah er das Funkeln des Wassers und einen Vorhang aus wildem Buschwerk am Ufer. Er müsste größer sein, dachte er. Aber er wusste, dass er sich nicht irren konnte. Es gab keinen anderen Flusslauf in der Nähe.
    Er hielt nicht an, sondern fuhr in gleichmäßigem Tempo weiter. Nach anderthalb Kilometern tauchte ein Haus auf. Mit schnellem Blick musterte er das Gebäude, während er daran vorbeifuhr. Ein Neubau, noch immer lagen einige Erdhaufen am Sockel des Fundaments. Einfach. Einstöckig, schlichtes Bauholz. Eine Jagdhütte. Der Schatten eines Fahrzeuges auf der Rückseite des Hauses. Doch es schienen keine Menschen dort zu sein.
    Er fuhr noch einige Kilometer weiter, bevor er an einem Wendeplatz anhielt, den Motor abstellte und ausstieg.
    Einen Moment blieb er still stehen, lauschte. Dann machte er ein, zwei Schritte, nahm seine Zigarettenschachtel aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an, konzentrierte sich darauf, dass seine Bewegungen natürlich wirkten. Er rauchte ausschließlich, wenn er der Meinung war, dass es einem Zweck dienen könnte, wenn es ihn mit seiner Umgebung verschmelzen ließ, seiner Anwesenheit eine Art Legitimation verschaffte. Wie in diesem Augenblick. Er war einfach jemand, der seinen Wagen anhielt, um sich die Beine zu vertreten, jemand, der sich eine Zigarette ansteckte und die Aussicht genoss. Er spielte diese Rolle. Schlenderte eine Weile umher, streckte und dehnte sich, ließ den Blick über die Landschaft wandern.
    Es war Ende September. Eisblauer Himmel. Der Wind hatte zugenommen. Dünne Wolkenschatten jagten über den Bergrücken im Norden. Auf beiden Seiten des Weges erstreckte sich kilometerlanger Kahlschlag. Er blieb stehen, mit halb geschlossenen Augen, spürte die kühle Luft auf seinem Gesicht, sah, wie sich die jungen Zapfenkiefern auf den kahlen Flächen im Wind bogen. Schließlich ließ er die Zigarette fallen, trat sie aus und vergrub sie sorgfältig im Kies. Mit schnellen Schritten ging er zurück zum Wagen und fuhr denselben Weg zurück.
    Als er das Haus erneut passierte, ging er vom Gas und heftete seinen Blick auf das Gebäude. Das Auto hinter dem Haus stand noch immer dort, doch weiterhin war kein Mensch zu sehen, kein Lebenszeichen weit und breit. Er fuhr wieder schneller.
    Beim Fluss bremste er. Er entdeckte Reifenspuren, die vom Weg abzweigten, und hielt an. Einen Augenblick saß er ruhig im Wagen, betrachtete die Umgebung, versuchte sich daran zu erinnern, wie es damals ausgesehen hatte. Dichter
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