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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht
Autoren: Franziska Gehm
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mich leider nicht mehr so genau an meine Pubertät erinnern. Immerhin ist die schon fast 2 000 Jahre her. Aber eins weiß ich mit Sicherheit: Der 13. Geburtstag ist einer der wichtigsten im Leben eines Vampirs. Denn beim Übergang vom 13. zum 14. Lebensjahr entpuppen sich die Vampire sozusagen voll und ganz. Sie entwickeln ihre gesamten Kräfte und aus den Vampirchen werden schließlich echte Vampire.«
    »Aber Mihai.« Elvira sah ihren Mann besorgt an. »Silvanias und Dakas 13. Geburtstag ist doch schon in zwei Tagen. Wenn Vampire an ihrem 13. Geburtstag so eine Wandlung durchmachen, was passiert dann mit Halbvampiren?«
    »Das habe ich mich auch schon an so manch schlaflosem Tag gefragt. Ich weiß es nicht. Aber ich kenne jemanden, der es herausfinden kann, und habe ihn bereits kontaktiert. Ich rechne jeden Moment mit seinem Rückruf.«

Transsilvanisches
Telefonat
    U ngefähr 1 000 Kilometer südöstlich von Elvira Tepes' Klobrillenladen griff Dr. Liviu Chivu in der unterirdischen Stadt Bistrien zum Telefonhörer. Der Hörer sah aus wie ein Knochen und auf der altertümlichen Wählscheibe standen statt Zahlen Buchstaben. »Schwester Slatina, verbinden Sie mich bitte mit Mihai Tepes, und zwar rapedadi ... ja, ganz recht, ein Ferngespräch ... Ist gut, ich warte«, sagte Dr. Chivu und klemmte sich den Knochenhörer zwischen Ohr und Schulter.
    Dr. Chivu hing kopfüber vor dem Schreibtisch in seiner Allgemeinarztpraxis. Er zog eine Schublade auf, holte eine Tüte Nüsschen im Blutmantel heraus, öffnete sie mit einem Skalpell und steckte sich ein Blutnüsschen nach dem anderem mit einer Pinzette in den Mund. Dabei sah er versonnen aus dem runden Fenster des Hospitalnyk, in dem sich seine Praxis befand. Nur noch dieser eine Anruf, dann hatte er Dienstschluss und konnte sich seinen jungen Kollegen Targu und Zalej beim Schrumpfkopfkegeln anschließen.
    Es war eine harte Arbeitsnacht gewesen. Am frühen Abend hatte er sich einen Vortrag über genmanipuliertes Blut angehört, kurz vor Mitternacht hatten sie einen alten Vampir eingeliefert, der sich im Sarg alle zehn Finger geklemmt hatte, und gegen drei Uhr war das Hospitalnyk nur so von Krankenfliegern umschwärmt gewesen, da es auf der mittleren Luftschicht im Smochi-Tal wegen eines Geisterfliegers mehrere Aufflugunfälle gegeben hatte.
    Dr. Liviu Chivu zerknackte ein Blutnüsschen. In der Telefonleitung knackte es auch. »Herr Tepes? Sind Sie das?«
    »Boi motra, Dr. Chivu!«, meldete sich Herr Tepes am anderen Ende der Leitung. »Wie fliegt's, wie flopst's?«
    »Im Moment hänge ich«, erwiderte Dr. Chivu. »Und Sie?«
    »Ich sitze auf einer Klobrille«, sagte Herr Tepes.
    Dr. Chivu hustete. Er hatte sich an einem Blutnüsschen verschluckt. »Zu Ihrer Frage – was passiert mit Halbvampiren beim Übergang vom 13. zum 14. Lebensjahr, sprich an ihrem 13. Geburtstag? Ich habe mehrere jahrhundertealte Bücher gewälzt und obendrein Converso Enzyklopo befragt. Dabei habe ich Folgendes herausgefunden: Es gab vor 654 Jahren einen ähnlichen Fall. Einen Halbvampir, der auf der Halbinsel Krim lebte. Nach allem, was ich gelesen und soweit ich das verstanden habe, machen auch Halbvampire an ihrem 13. Geburtstag eine Art Verpuppung durch. Bei ihnen ist diese Verpuppung aber viel schwerwiegender.« Dr. Chivu steckte sich mit der Pinzette ein weiteres Blutnüsschen in den Mund.
    »Schwerwiegender?«, fragte Mihai Tepes am anderen Ende der Leitung. »Hat das etwas mit plötzlich sprießenden Oberlippenbärten, wild wuchernden Achselhaaren oder Brüsten zu tun, die von einer Sekunde auf die andere wachsen?«
    »Der Halbvampir auf der Halbinsel Krim hatte keine Brüste, soweit ich weiß«, erwiderte Liviu Chivu und lutschte genussvoll das Blut vom Nüsschen. »Vermutlich sind das alles hormonelle Vorboten der Verpuppung.«
    »Vorboten? Das sind keine hormonellen Vorboten, sondern hormonelle Haudegen«, schnaufte Mihai Tepes. »Meine Töchter trauen sich kaum noch auf die Straße. Wenn diese Pickel, Beulen, Launen und Haarwucherungen nicht bald aufhören, werden sie noch zu einsamen Stubenhängern.«
    »Kein Grund zur Beunruhigung, mein Bester«, sagte Dr. Liviu, was er sehr oft zu seinen Patienten sagte. Die meisten Vampire kannten Dr. Livius Ruf und wurden dann erst recht unruhig.
    Auch der Lakritzschnauzer von Herrn Tepes zuckte kurz, doch das konnte der Arzt in Bistrien nicht sehen. Daher fuhr er im Priesterton fort: »Die Verpuppung ist schwerwiegend, aber offenbar auch ganz
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