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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont
Autoren: Richard Paul Evans
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Schritte gehen.«
    »Ein großer Tag.« Sie sah interessiert auf das in Leder gebundene Buch, das neben mir lag. »Was ist das denn?«
    »Mein Tagebuch. Ich habe beschlossen, meine Reise zu dokumentieren.«
    »Wirklich? Komme ich auch darin vor?«
    »Natürlich.«
    »Ich wünschte, ich hätte auch Tagebuch geführt«, sagte sie. »Auf der Highschool hatte ich eine Freundin, die eines geführt hat. Sie hat immer Lügen hineingeschrieben.«
    »Sie hat in ihrem Tagebuch gelogen?«
    »Sie sagte, so könne sie, wenn sie alt sei und sich an nichts mehr erinnern könne, ihr Tagebuch lesen und denken, sie hätte ein tolles Leben gehabt.«
    Ich grinste. »Darin liegt eine gewisse Logik.«
    »Ich nehm’s an.«
    »Ich habe früher Texte für eine Werbeagentur verfasst. Das heißt, ich bin nicht vermutlich so viel anders als Ihre Freundin.«
    Das interessierte sie. »Wirklich? Ich wollte schon immer schreiben.«
    »Was denn?«
    »Ich wollte Drehbücher schreiben. Ich habe sogar schon mit einem begonnen.«
    »Worum geht es darin?«
    »Um eine Frau, die von ihrem Ehemann und ihren Freunden verraten wird, daher täuscht sie ihren eigenen Tod vor und nimmt eine neue Identität an.«
    »Das hört sich ja spannend an.«
    »Die erste Hälfte habe ich schon fertig. Mir fällt nur kein guter Anfang ein. Irgendetwas Fesselndes, wissen Sie?«
    »Fesseln ist mein Spezialgebiet. Das ist die Welt des Werbetypen: Ich habe dreißig Sekunden, um dich zu erobern. Wie wär’s damit: ›Obwohl die Polizei den ganzen Nachmittag in meinem Garten gegraben hatte, hatte sie keine einzige Leiche gefunden.‹«
    Sie lachte. »Das klingt auf jeden Fall fesselnd. Aber was ist, wenn meine Figur gar keine Leichen im Garten hat?«
    »Jeder hat Leichen«, sagte ich.
    Ich bemerkte ein leichtes Zucken in ihrem Gesicht.
    Eine halbe Stunde später kam Norma ins Zimmer. Sie hatte einen langen weißen Riemen mit einer silbernen Schnalle in der Hand. »Nun, Mr. Alan, ich habe eine gute und eine gute Neuigkeit für Sie. Welche wollen Sie zuerst hören?«
    »Ich lasse mich überraschen.«
    »Erstens, ich habe gehört, Sie haben danach gesucht.« Sie reichte mir das Kettchen mit McKales Ring.
    Ich griff ungeduldig danach. »Vielen Dank.«
    Während ich mir das Kettchen um den Hals legte, sagte sie: »Die andere gute Neuigkeit ist: Sie haben den CT-Scan bestanden.«
    »Bekomme ich dafür ein Diplom?«
    »Sie bekommen etwas noch Besseres. Sie dürfen ein paar Schritte gehen.« Dann fügte sie hinzu: »Falls Sie können.«
    »Was soll das heißen, falls? Ich bin in den letzten zwei Wochen über dreihundert Meilen gegangen.«
    Norma stemmte die Hände in die Hüften. »In Anbetracht Ihrer Verletzungen wird es vielleicht nicht ganz so leicht sein, wie Sie glauben. Sie haben Schlimmes durchgemacht. Es ist ungefähr so, als hätten Sie gleich mehrere scheußliche Kaiserschnitte gehabt. Ihr erstes Ziel sollte daher etwas Erreichbares sein, zum Beispiel ein Gang zur Toilette.«
    »Gefolgt von einer Ehrenrunde durchs Krankenhaus«, bemerkte ich.
    »Wir werden sehen.« Sie legte den langen weißen Riemen auf mein Bett.
    »Was ist das denn?«, fragte ich.
    »Das ist ein Gehgurt. Für den Fall, dass Sie stürzen.«
    Ich grinste bei der Vorstellung, dass sie mich dann halten wollte, da sie ungefähr halb so groß war wie ich. »Sie wollen verhindern, dass ich stürze?«
    »Ich bin stärker, als Sie glauben. Also, können Sie sich aufsetzen?«
    Ich fand die Frage witzig. »Natürlich.« Ich stützte mich mit den Ellenbogen aufs Bett und stemmte die Brust hoch. Durch meinen Unterleib schoss ein Schmerz, der mir den Atem raubte. Ich wurde blass. »Oh.«
    Norma sah mich an, als wolle sie sagen: »Ich hab’s Ihnen ja gesagt.«
    »Das hat ein bisschen weher getan, als ich dachte«, sagte ich.
    »Können Sie die Beine über die Bettkante schwingen?«, fragte Norma.
    Während ich meinen Körper verlagerte, wurde mir bewusst, wie abhängig meine Beine von meinen Bauchmuskeln waren. Das Gehen würde nicht so leicht sein, wie ich gedacht hatte. Eine einzige schicksalhafte Nacht hatte meine Ziele völlig verändert: Aus Key West war die Badezimmertür geworden. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich die Beine über die Bettkante baumeln lassen konnte.
    »Gut. Jetzt bleiben Sie einen Augenblick so.« Norma holte ein Paar Pantoffeln aus meinem Schrank und brachte sie mir. Sie kniete sich hin und streifte sie über meine Füße. Dann klemmte sie meinen Katheter ab, legte mir den Gehgurt um die
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