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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont
Autoren: Richard Paul Evans
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Rosenblütenblätter, die man so sorgfältig ausgestreut hatte, einfach weggepustet wurden.
    Die Szene hätte amüsant sein können, wenn es nicht unsere Hochzeit gewesen wäre. Unsere vom Pech verfolgten Gäste liefen panisch durch den Garten und hielten ihre Hüte, Kleidungsstücke oder Partner fest. Es herrschte das reinste Chaos.
    Sobald die ganze Hochzeitsausstattung gründlich ruiniert war, legte sich der Wind, als würde Mutter Natur einen Moment innehalten, um ihr Werk zu betrachten. Dann setzte der Regen mit aller Wucht wieder ein.
    Der Pfarrer, Reverend Handy, ein Freund von McKales Vater, war von einer anderen Hochzeit gekommen und wegen des Wetters im Verkehr stecken geblieben, sodass er erst eine Viertelstunde vor dem festgesetzten Termin am Schauplatz des Geschehens eintraf. Ich sah seine fassungslose Miene, als er die Trümmer unseres Festes erblickte. Es sah aus wie in einem dieser Nachrichtenclips, die aus einem Wohnwagenpark gesendet werden, nachdem ein Tornado darüber hinweggefegt ist – völlige und absolute Zerstörung.
    Um zwölf Uhr mittags nahm ich meinen Platz unter der triefenden Gartenlaube ein und wartete auf meine Braut, hinter mir eine kleine Gruppe von Überlebenden, die sich unter einem wogenden Meer von Schirmen versammelt hatten.
    Und dann kam sie, eskortiert von ihrem Vater und einer verzweifelten Diane, die völlig durchnässt war und einen Schirm über die Braut hielt. McKale war meine Sonne, sie strahlte in einem schulterfreien elfenbeinfarbenen Kleid. Als sie näher kam, sahen wir uns in die Augen, und das Chaos löste sich auf. Ich steckte ihr den Ring an den Finger und hoffte, dass sie die Verwüstung nicht als schlechtes Omen für unsere Ehe ansah.
    Nachdem wir zu Mann und Frau erklärt worden waren, ergriffen die meisten unserer Gäste die Flucht. Die wenigen noch verbliebenen drängten sich unter einem triefenden Baldachin zusammen und warteten auf das Anschneiden der Torte.
    McKale war schweigsam, während wir in die Flitterwochen davonfuhren, nur das rhythmische Geräusch der Scheibenwischer füllte die Lücke, die durch unser Schweigen entstand. Als wir allein in unserem Hotelzimmer waren, sagte ich: »Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist.« Ich rechnete damit, dass sie in Tränen ausbrechen würde, aber das tat sie nicht. Stattdessen sah sie hinunter auf ihren Diamantring und nahm meine Hand. »Ich hätte dich auch mit einem Plastikring auf einer Müllkippe während eines Hurrikans geheiratet. Die Show war für die anderen. Ich wollte nur dich. Das ist der schönste Tag in meinem Leben.«
    Da wusste ich, dass wir für immer zusammenbleiben würden.
    Engel war an meiner Seite, als mir bewusst wurde, dass McKales Ehering nicht mehr da war. Ich betastete panisch meine Brust und meinen Hals. Ich muss ausgesehen haben, als wäre ich im Begriff, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, denn Engel sah mich erschrocken an. »Was ist los?«, fragte sie. »Soll ich eine Schwester rufen?«
    »Sie haben ihn mir weggenommen«, sagte ich.
    »Sie haben was weggenommen?«
    »Den Ehering meiner Frau. Ich habe ihn an einem Kettchen um den Hals getragen.«
    Sie sah fast ebenso verzweifelt aus, wie ich mich fühlte. »Ich werde die Schwester fragen, ob sie etwas darüber weiß.« Sie drückte auf den Rufknopf, und binnen weniger Momente stand eine Schwester, die ich nie zuvor gesehen hatte, im Türrahmen.
    »Brauchen Sie irgendetwas?«
    Engel sagte: »Alan vermisst ein Schmuckstück.«
    »Na ja, normalerweise nehmen wir allen Schmuck in der Notaufnahme ab.« Sie wandte sich an mich. »Was vermissen Sie denn?«
    »Einen Diamantring an einem Goldkettchen«, sagte ich.
    »Vermutlich ist er in Ihrem Schließfach. Ich kann für Sie nachsehen.«
    Ich ließ den Kopf wieder aufs Kissen sinken. »Wie heißen Sie?«, fragte ich.
    »Alice.«
    »Alice«, sagte ich, »wissen Sie zufällig, wo meine ganzen anderen Sachen sind? Ich hatte einen Rucksack dabei, als ich überfallen wurde.«
    »Nein. Aber ich kann die Polizisten fragen. Sie sind gleich am Ende des Flurs.«
    »Warum sind sie da?«
    »Sie bewachen einen der Männer, die Sie überfallen haben.«
    Das hatte ich ganz vergessen. Meine Ärztin hatte mir gesagt, dass einer der jungen Männer, die mich angegriffen hatten, ebenfalls im Krankenhaus läge. Nicht dass ich vorhatte, ihm eine Genesungskarte zu schicken, aber es war gut, das zu wissen.
    Alice sagte: »Die Polizei hat darum gebeten, mit Ihnen sprechen zu dürfen, sobald Sie
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