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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont
Autoren: Richard Paul Evans
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US-Armee eintrat, wurde das Projekt auf Eis gelegt. Korczak Ziolkowski wurde bei der Invasion der Normandie am Omaha Beach verwundet.
    Nach dem Krieg zog Ziolkowski zurück in die Black Hills und begann mit der Suche nach einem passenden Berg. Er hielt die Teton-Berge in Wyoming für besser geeignet als die Black Hills, da der dortige Fels besser zu behauen war, aber die Lakota-Indianer betrachteten die Black Hills als geheiligte Stätte und wollten, dass das Denkmal dort errichtet wurde.
    »Die Lakota hatten kein Geld und keinen Berg«, sagte Ziolkowski. »Aber ich fand immer, [die Indianer] seien schlecht behandelt worden, daher erklärte ich mich dazu bereit.«
    Wenn es einmal fertig ist, wird das Monument – eine dreidimensionale Skulptur des Indianerhäuptlings Crazy Horse auf einem heranstürmenden Pferd – die größte Skulptur der Welt sein: 170 Meter hoch – höher als das Washington-Monument – und 195 Meter lang. Um Ihnen einen Eindruck von der Größe zu vermitteln: Allein der Federschmuck von Crazy Horse wäre so groß, dass alle Präsidentenköpfe von Mount Rushmore darin Platz hätten.
    Als Korczak Ziolkowski vierunddreißig Jahre nach Beginn der Arbeit an dem Berg starb, war das Monument noch lange nicht vollendet. Die letzten Worte, die er an seine Frau richtete, waren: »Du musst den Berg zu Ende bringen. Aber geh langsam dabei vor, damit es richtig gemacht wird.«
    Ich starrte fast zwanzig Minuten auf den Berg. Es begann zu regnen, aber ich bemerkte es kaum. Diese ganze Geschichte war absurd. Völlig absurd. Ein Mann ohne Geld, ohne Ausbildung und ohne geeignete Ausrüstung beschließt, einen Berg zu behauen. Es war herrlich absurd. In Korczaks Ziolkowskis unmöglichem Trachten lag die Antwort auf meine Fragen.

Dreiundfünfzigstes Kapitel
    Ich habe mich gefragt, was McKale sagen würde, dass ich tun sollte. Dabei wusste ich genau, was sie sagen würde: »Setz deinen Hintern in Bewegung, schnapp dir deinen Rucksack und mach dich auf den Weg.«
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Am nächsten Morgen lag ich in meinem Hotelbett und betrachtete die Decke. Zum ersten Mal, seit ich zu meiner Reise aufgebrochen war, wusste ich genau, warum ich unterwegs war. Meine Reise war keine Flucht vor meiner Vergangenheit; sie war eine Brücke zu meiner Zukunft, und jeder kleine Schritt war ein Akt des Glaubens und der Hoffnung, der mir bestätigte, dass das Leben lebenswert war.
    Und mit dieser schlichten Erkenntnis war das Gewicht verschwunden – die Schwere meiner Verzweiflung und meines Selbstmitleids. Es war Zeit, mit dem weiterzumachen, was ich mir vorgenommen hatte, und aufzuhören, mich selbst zu bemitleiden. Es war Zeit, mich nicht mehr zu fragen, was ich vom Leben bekommen konnte, sondern zu lernen, was das Leben von mir verlangte.
    Ich schlug meine Landkarte auf dem Bett auf und zog mit dem Finger einen Weg. Es war Zeit, irgendwohin zu gehen, wo es warm war. Zeit, nach Süden zu gehen. Mein nächstes Ziel war Memphis, Tennessee.
    Ich rasierte mich, schnappte mir meinen Rucksack und verließ das Hotel. Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen.
    Während ich durch die Hotellobby ging, bemerkte ich eine ältere Frau, die in einem der Sessel in der Nähe der Rezeption saß. Sie hatte graue Haare und trug einen langen Wollmantel und einen burgunderroten Seidenschal. Sie war eine schöne Frau – zumindest war sie einmal eine gewesen –, und irgendetwas an ihr fesselte meinen Blick. Sie beobachtete mich ebenfalls, und unsere Blicke trafen sich. Als ich an ihr vorbeiging, sagte sie: »Alan.«
    Ich blieb stehen. »Entschuldigung?«
    »Sind Sie Alan Christoffersen?«
    Ich sah sie verblüfft an. »Ja.«
    »Wissen Sie, wer ich bin?«
    Sie kam mir irgendwie bekannt vor. Nach kurzer Überlegung sagte ich: »Nein.«
    »Sind Sie sicher?«
    Aber dann sah ich ihr in die Augen und begriff, wer sie war. Bevor ich etwas sagen konnte, sagte sie: »Ich habe Sie wochenlang gesucht.«

Epilog
    Wir sind alle in Bewegung. Immer. Die, die nicht zu irgendetwas hinaufsteigen, steigen hinunter ins Nichts.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Was mein Vater über Berge sagte, stimmt. Wir steigen auf Berge, weil die Täler voller Friedhöfe sind. Das Geheimnis des Überlebens ist der Aufstieg, selbst im Dunkeln und selbst wenn er sinnlos erscheint. Der Aufstieg, nicht der Gipfel, ist das Entscheidende. Und die Großen steigen nicht nur auf Berge, sie behauen sie dabei auch noch.
    Ziolkowskis Traum war ein unmöglicher – dass ein einzelner
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