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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont
Autoren: Richard Paul Evans
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sich dazu imstande fühlen.«
    »Ich bin dazu imstande«, beeilte ich mich zu sagen. Ich hatte meine eigenen Gründe, weshalb ich mit der Polizei sprechen wollte – ich hatte Fragen zu jener Nacht.
    Keine fünf Minuten nachdem sie gegangen war, betraten zwei uniformierte Polizeibeamte mein Zimmer. Ein paar Schritte vor meinem Bett blieben sie stehen. Der vordere der beiden, ein kleiner, schlanker Mann, ergriff das Wort: »Mr. Christoffersen, ich bin Officer Eskelson. Das hier ist mein Partner, Lieutenant Foulger. Können wir mit Ihnen sprechen?«
    Ich warf einen Blick auf den anderen Polizisten, der hinter ihm stand. »Ja.«
    Eskelson wandte sich zu Engel um. »Ist das Ihre Frau?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich bin nur eine Bekannte.«
    »Möchten Sie, dass sie bei der Vernehmung anwesend ist?«
    »Ich kann auch gehen«, sagte Engel.
    »Sie kann gern bleiben«, sagte ich.
    Engel blieb sitzen. Officer Eskelson trat an mein Bett. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Abgesehen von der Gehirnerschütterung und den drei Messerstichen?«, fragte ich.
    »Entschuldigung. Ich werde es kurz machen.« Er hielt einen Notizblock und einen Stift hoch. »Ich möchte gern, dass Sie mir mit Ihren eigenen Worten die Nacht des Überfalls schildern.«
    Ich habe noch nie verstanden, warum die Leute »mit Ihren eigenen Worten« sagten. Wessen Worte sollte ich denn sonst benutzen?
    »Ich kam gegen Mitternacht in Airway Heights an und fragte im Hilton nach einem Zimmer. Aber sie hatten keines frei, daher musste ich weiter nach Spokane. Ich war etwa eine Meile weit gelaufen, als ich Rapmusik hörte und ein Wagen neben mir langsamer wurde, ein gelber Impala mit schwarzen Rennwagenstreifen.
    In dem Wagen saßen ein paar übel aussehende junge Burschen. Ich nahm an, dass es sich um Gangmitglieder handelte. Sie fingen an, mich laut zu beschimpfen. Ich habe sie einfach ignoriert, aber dann stellten sie sich mit dem Wagen vor mir quer und stiegen aus.«
    »Würden Sie diese Jugendlichen wiedererkennen?«
    »Sie meinen, bei einer polizeilichen Gegenüberstellung?«
    Er nickte.
    »Ich weiß nicht. Ein paar von ihnen schon. Ich dachte, Sie hätten sie in Gewahrsam genommen.«
    »Das haben wir auch«, sagte Foulger.
    Eskelson fragte: »Was geschah, nachdem sie sich mit dem Wagen quergestellt hatten?«
    »Sie sagten, ich solle ihnen meinen Rucksack geben. Ich habe versucht, es ihnen auszureden. Da sagte der Typ, der mich mit dem Messer verletzt hat, dass sie ihn sich nehmen würden, nachdem sie mich zusammengeschlagen hätten.«
    »Hat er das so gesagt, Sie ›zusammenschlagen‹?«
    »Ich glaube, seine genauen Worte waren: ›Wir machen dich fertig.‹ Er sagte, sie wollten ›jemandem den Arsch versohlen‹.«
    Er schrieb etwas in seinen Notizblock. »Und was geschah dann?«
    »Dann ist er auf mich losgegangen.«
    »Der Junge, der Sie niedergestochen hat?«
    Ich nickte. »Ich habe ihn geschlagen, und er ist zu Boden gegangen. Dann hat mir einer der anderen Typen irgendetwas auf den Kopf geschlagen. Es hat sich wie ein Rohr oder ein Knüppel angefühlt.«
    »Es war ein Baseballschläger.« Lieutenant Foulger räusperte sich. »Ein Louisville-Slugger.«
    »Er hat mich fast bewusstlos geschlagen. Ich sah Sterne, aber irgendwie schaffte ich es, mich auf den Beinen zu halten. Dann lief auf einmal alles aus dem Ruder, und sie gingen alle gleichzeitig auf mich los. Irgendjemand schlug mich zu Boden, und alle traten auf mich ein. Der große Typ trampelte mir immer wieder auf den Kopf. Und dann hörte alles auf. Ich sah hoch, und der kleine Bursche zückte ein Messer und fragte mich, ob ich sterben wolle.«
    Eskelson zückte sein Handy und zeigte mir das Foto eines jungen Mannes. Es war im Krankenhaus gemacht worden. »Ist das der Bursche?«
    Ich sah mir das Bild genau an. Der junge Mann auf dem Foto sah völlig anders aus als der großspurige, messerschwingende Schlägertyp, dem ich begegnet war. Eine Hälfte seines Gesichts war von Mullverbänden verdeckt, und ein Sauerstoffschlauch ragte aus seiner Nase. Er wirkte klein und zerbrechlich.
    »Das sieht nach ihm aus.«
    Eskelson kritzelte etwas in seinen Notizblock. »Waren ›Willst du sterben?‹ seine genauen Worte?«
    »Da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Er machte sich eine weitere Notiz. »Und wie ging es dann weiter?«
    »An die Messerattacke kann ich mich nicht erinnern. Irgendjemand hat mir ins Gesicht getreten. Das Nächste, woran ich mich dann erinnere, ist, dass mich die Sanitäter auf eine Tragbahre gelegt
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