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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma
Autoren: Brigitte Blobel
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säuft sich ins Koma.«
    Oder:
    »Wer verbietet endlich Alkohol für Jugendliche?«

    Oder:
    »In Hamburg vierter Fall von Komasaufen.«
    Oder:
    »Keiner weiß, ob er durchkommt.«
    Grimmig packt Sven Keller das Lenkrad mit beiden Händen.
     
    Babsi Keller sitzt in ihrem kleinen Glasverschlag am Ende der Notaufnahme und blättert in einer Modezeitschrift. Es war ein turbulenter Abend, aber seit einer Stunde ist es ruhig und sie spürt langsam die Müdigkeit. Nicht einmal die neue Frühjahrsmode, so verführerisch fotografiert, kann sie wach halten. Sie braucht dringend einen Kaffee. Im Nebenraum steht der Automat.
    Als sie schon auf dem Flur ist, klingelt ihr Telefon. Sie läuft zurück. »Marienkrankenhaus, Notaufnahme!«, ruft sie. Sie weiß aus Erfahrung, dass man laut sprechen muss, denn die Kollegen in den Krankenwagen sind meist von Lärm umgeben und stehen unter Stress.
    »Ja, hier Krankenwagen 12, Malte Richter spricht.«
    »O, hallo Malte«, Babsi Keller kennt den Sani, der als Praktikant in der Notaufnahme gearbeitet hat. Ein netter Kerl, inzwischen Ende zwanzig. »Hier ist Babsi.«
    »Okay, hallo Babsi. Bitte Aufnahme vorbereiten, Intensivstation.«
    »Chirurgie?«, fragt Babsi Keller, während sie ihren Computer hochfährt.
    »Nein. Innere.«
    »Gibt es schon eine erste Diagnose?«
    »Ein Jugendlicher. Liegt im Koma.«
    »Also mal wieder Alkohol?«, fragt Babsi Keller, während sie die ersten Daten in den Computer eingibt. Uhrzeit des Anrufs, Name des Sanitäters.

    Dann gibt sie die Daten an die Innere durch. Der diensthabende Arzt ist Oberarzt Dr. Martin Jessen. Babsi Keller freut sich immer, wenn er mit ihr zusammen Dienst hat. Er ist einer der Ärzte, die sich auch noch nach Jahrzehnten von ermüdenden Nachtdiensten jeden Tag neu mit Leidenschaft ihrem Beruf widmen.
    Sie lässt den Computer eingeschaltet, weil sich der diensthabende Notarzt wahrscheinlich noch während der Fahrt mit weiteren Einzelheiten melden wird, die sie dann an die Innere weiterleitet, sodass dort schon die ersten Vorbereitungen getroffen werden können. Manchmal kommt es auf Minuten an.
    Allein in ihrem Krankenhaus ist das nun schon der dritte Fall eines Jugendlichen, der sich ins Koma getrunken hat. Und die Abstände werden immer kürzer.
    Babsi denkt für Sekunden an die Eltern dieses Jungen, als sie am Kaffeeautomaten steht und zusieht, wie der heiße Milchschaum in den Becher läuft. In wenigen Minuten, wenn der Notarztwagen da ist und sie die Daten des Jungen hat - hoffentlich hat er einen Personalausweis bei sich -, wird sie die Eltern benachrichtigen müssen.
    Während sie vorsichtig den heißen Kaffee schlürft, denkt sie, dass sie in der Haut dieser Eltern nicht stecken möchte. Was da wohl alles falsch gelaufen ist.
     
    Um elf Uhr einunddreißig bringt Sven Keller seinen Wagen vor der Notaufnahme des Marienkrankenhauses zum Stehen. Er greift nach der Kamera und dem Tonbandgerät. Und er macht sich nicht die Mühe, den Wagen abzuschließen, bevor er auf die hell erleuchtete Notaufnahme zuläuft. Im Hintergrund das Heulen der Krankenwagensirene, das schnell näher kommt.
    Die Türen zur Notaufnahme sind weit geöffnet. Der Wagen
kann direkt hineinfahren, Ärzte und Schwestern warten bereits auf den Patienten.
    Sven Keller schaut sich um. Der Notarztwagen ist noch nicht zu sehen, aber das rotierende blaue Licht spiegelt sich bereits in den nebelnassen Ästen der Bäume.
    Er läuft, er will gleichzeitig mit dem Krankenwagen da sein, um sein Foto zu bekommen. Bevor die Ärzte ihn wegschicken, muss er wissen, wie der Junge heißt und wie viel Promille er im Blut hat. Das sind die zwei Daten, die er unbedingt braucht. Der Chef vom Dienst wartet auf seinen Anruf, ob es sich lohnt, Platz auf der Seite eins frei zu halten.
    Sven Keller will diese Sache auf Seite eins. Der Chefredakteur hat dem Komasaufen der Jugendlichen persönlich den Kampf angesagt und Sven Keller will ihm dabei helfen, aus Überzeugung. Deshalb ist er auch so froh, dass sein Sohn Marvin nicht trinkt.
    Sven Keller sieht, wie die Sekretärin den Glaskasten, der als Aufnahmebüro dient, verlässt und zu den wartenden Ärzten und Schwestern tritt.
    Es ist Babsi Keller, seine Ex.
    O Gott, denkt er. Daran hab ich gar nicht gedacht. Dass ich Babsi hier sehen könnte.
    Babsi hat ihn schon erkannt. Sie winkt.
    Ein gutes Zeichen, denkt Sven Keller und geht tapfer weiter. Er hat die Auseinandersetzungen mit seiner Ex noch in lebhafter Erinnerung. Er hofft, dass sie
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