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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma
Autoren: Brigitte Blobel
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auszieht und ihn auf dem dreckigen Boden ausbreitet. Gute Idee, denkt Marvel und macht es genauso.
    Neben ihm liegt der Typ mit dem HSV-Schal.
    Und drüben, die Jungs, die die Möwen gefüttert haben, liegen wie erstarrt nebeneinander und bewegen sich nicht.
    Immer mehr Menschen kippen um. Gehen in Liegestütz und legen sich dann flach auf den Boden.
    Als Marvel zwanzig Sekunden später vorsichtig den Kopf hebt, sieht er nur noch sehr wenige aufrechte Menschen. Die tragen Einkaufstüten oder Aktentaschen, haben ein Kind auf dem Arm oder halten ihren Hund ganz kurz an der Leine. Sie gehen wie im Slalom vorsichtig und offenkundig völlig verwirrt zwischen diesen Körpern herum. Manche Passanten beugen sich erschrocken über eine auf dem Boden liegende Person, stoßen sie an. Aber die Person rührt sich nicht.
    Vor dem Rathaus fährt eine Limousine vor, ein Rathausdiener
reißt den Wagenschlag auf und ein Mann in einem weißen Kaftan entsteigt der Limo. Er sieht aus wie ein reicher Scheich. Der Rathausdiener will den wichtigen Mann sofort zum Eingang geleiten, aber der bleibt stehen und lässt seinen Blick über den Platz gleiten, mit all den am Boden liegenden Menschen.
    Er ist zu weit weg. Marvel kann nicht sehen, was der Scheich für ein Gesicht macht, und ihm fehlt auch die Fantasie, sich vorzustellen, was der Rathausdiener wohl für eine Erklärung für dieses Schauspiel hat.
    In der Ferne hört man Polizeisirenen.
    Die Passanten wirken erschreckt, sie drehen sich suchend um, als hätten sie etwas verpasst. Schauen in den Himmel mit den tief hängenden Wolken.
    Die drei Mädchen, die Marvel beobachtet hat, liegen ganz in der Nähe. Niemand kichert. Alle sind ernst.
    Und dann beginnt das Stöhnen. Es erhebt sich wie eine Welle aus »Ohs« und »Uhs« und »Mmmmhs« und es schwillt an und hallt als Echo von den Häuserwänden wieder zurück.
    Es ist beeindruckend.
    »Ist das geil oder ist das geil?« Jojo stößt Marvel in die Rippen.
    »Geil«, sagt Marvel. Er grinst.
    Und dann, wie wenn ein Dirigent oben auf der Wolke ein Kommando gäbe, hört das Stöhnen auf, die Leute erheben sich vom Boden, klopfen ihre Kleider ab, wischen den Dreck von den Händen und gehen, ohne einander anzublicken, wieder auseinander.
    Die Passanten, die eben noch dachten, eine Epidemie oder der Norovirus wäre ausgebrochen, bleiben verstört stehen, während um sie herum das normale Leben weitergeht.
    Mauki freut sich. Er zieht seinen Anorak wieder an. »Das war der Hammer«, seufzt er. »Ich fass es gar nicht!«

    Er guckt die Leute an, die neben ihm auf dem Boden gelegen haben, aber alle tun, als sei nichts gewesen, als habe das Ganze überhaupt nicht stattgefunden, während die Sirenen der Polizeiwagen immer lauter werden, immer näher kommen.
    Als die Polizeiwagen den Rathausplatz erreicht haben und die Polizisten mit gezogenen Pistolen aus den Wagen springen, ist alles längst vorbei und das Leben so ruhig wie immer.
     
    In der U-Bahn, auf dem Weg zu den Landungsbrücken hauen sie sich auf die Schenkel vor Vergnügen.
    »War das geil?«, ruft Jojo. Er kann gar nicht oft genug hören, wie gut die Aktion war. Er stößt Bully in die Seite. »Sag, wie war das?«
    Bully grinst. »Mir scheint die Sonne aus dem Arsch.«
    »Und du, Mauki?«
    »Ich brauch was zu trinken«, sagt Mauki.
    »Gut, dass du mich daran erinnerst«, sagt Bully. »Wann gibt’s endlich was zu trinken?«
    »Und du, Marvel?«, fragt Jojo.
    »Ich denke wie Bully«, sagt Marvel fröhlich. »Ich brauch ein Bier.«
    »Bist du bei der nächsten Aktion wieder dabei?«
    »Aber hallo. Auf mich kannst du zählen.«
     
    Die Party an den Landungsbrücken kommt erst langsam in die Gänge. Sie trinken ein paar Bier, doch die Rockband, auf der alle Hoffnung ruht, ist immer noch nicht richtig in Fahrt.
    Vielleicht ist es einfach noch zu früh. In Spanien beginnen richtig gute Feten immer erst um Mitternacht, hat Marvel irgendwo gelesen.
    »Wir brauchen was zum Vorglühen«, stellt Bully fest. »Ich seh mich mal um.«

    Er kommt zurück mit einer Flasche ohne Etikett.
    »Hier«, sagt er, als er Marvel die Flasche in die Hand drückt, »lass kreisen.«
    »Was ist das?«
    »Wodka.«
    »Ne, das Zeug will ich nicht.«
    »Hey! Was soll das denn?«, empört Bully sich. »Du willst den schönen Wodka nicht?« Er nimmt Marvel die Flasche weg und trinkt.
    »Gut?«, fragt Mauki, der schon den Arm ausstreckt.
    »Geil«, bestätigt Mauki nach einem tiefen Schluck.
    »Lass kreisen«, fordert
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