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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma
Autoren: Brigitte Blobel
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Jojo.
    Und dann springt eine Rockröhre auf die Bühne, die ein bisschen so aussieht und singt wie Amy Winehouse. Schon kommt Stimmung auf. Die ersten Joints gehen rum, die ersten Wunderkerzen werden geschwungen und Bierflaschen und andere Flaschen. Dann hören sie Musik vom anderen Ende der Landungsbrücken und beschließen, dorthin zu ziehen. Zwischendurch besorgt Bully eine neue Flasche und lässt sie kreisen. Dann sind die anderen auf einmal weg. Marvel kann sie nirgends mehr sehen.
    Egal. Die tauchen schon wieder auf. Er fühlt sich gut. Ein bisschen benebelt, leicht neben der Spur, aber schön. Andere trinken auch, andere müssen sich auch irgendwo anlehnen und warten, bis der Schwindel vorbei ist. Wichtig ist doch, dass die Stimmung gut ist, dass gute Schwingungen rüberkommen von der Musik, von den Leuten, von der Location.
    Der Alkohol breitet sich warm und weich in seinem Körper aus. Er weiß, dass er genug hat, und er wird auch aufhören, gleich wird er aufhören, zu trinken, um genau dieses schöne weiche Gefühl besser auskosten zu können. Er ist ja nicht blöd. Es geht ja nur darum, Spaß zu haben. Besaufen will er sich nicht.

    Wenn er an die Flashmob-Aktion denkt, überkommt ihn immer noch das große Grinsen.
    »Hey du, Mann!« Er stößt einen Typen an, der neben ihm an der Hafenmauer entlanggeht. »Weißt du, was heute auf dem Rathausmarkt abgegangen ist?«
    »So fragt man Leute aus.«
    »Nein, echt, Mann, ich war da. Ich war da. Mauki …« Er streckt die Finger hoch und hakt sie einzeln ab. »… der ist mein Freund. Genau wie Bully. War auch da.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Ja, und Jojo. Der hat das mit dem Flashmob entdeckt. Da gibt es eine Internet-Community.«
    »Komm, hör auf, laber mir kein Kotelett ans Ohr. Willst du einen Schluck?«
    »Klar, Mann, was ist das?«
    Marvel nimmt die Flasche, hält sie prüfend gegens Licht eines Autoscheinwerfers. »Sieht aus wie Wasser.«
    Der andere grinst. »Lass mir noch was drin.«
    Marvel nimmt einen tiefen Schluck und dann noch einen, aber als der Typ verlangend die Hand ausstreckt, gibt Marvel ihm die Flasche zurück.
    »Immer schön flauschig bleiben«, sagt der Typ, bevor er mit einem kurzen Winken verschwindet.
    Irgendwann hockt Marvel sich auf die Kaimauer neben einen Lederrocker mit langen Haaren und viel Metallschmuck um Hals, Arme und Beine, der einfach nur wortlos dasitzt und die Leute mustert.
    Vor ihnen ziehen die großen Frachter auf der Elbe vorbei, von Lotsenschiffen gezogen. Im Hintergrund das dumpfe Dröhnen der Werften, wo auch nachts bei vollem Scheinwerferlicht gearbeitet wird; die Kräne, die auf Schienen am Kai des Containerhafens auf- und abfahren.

    »Hier haben sie das Foto gemacht«, sagt Marvel.
    »Was für’n Foto?«
    »Für das Plakat. Das hing überall. Eine Serie auf ProFive.«
    »Aha.«
    »Die hieß: Coole Zeiten. «
    »Aha.«
    »Das war eher so eine Soap.«
    »Mhmhm.«
    »Die wird im Frühjahr fortgesetzt.«
    »Mhmh.«
    »Ich spiel da mit.«
    »Mach den Hals zu.«
    Marvel zuckt zusammen, schaut den Lederrocker an. »Was hast du gesagt?«
    »Schnauze, hab ich gesagt.«
    »Okay, bin schon still.«
    Der Typ schweigt, starrt weiter in die Gegend, bis auf einmal jemand vor ihm stehen bleibt, seinen Mantel aufmacht und auf das Innenfutter zeigt. In jeder Innentasche steckt eine Flasche.
    Da kommt Leben in Marvels Nachbarn.
    »Wie viel?«, fragt er.
    »Fünf Euro.«
    »Für beide?«
    »Für eine, Mann.«
    »Du nimmst Wucherpreise«, schimpft der Rocker. Er fördert aus seinen engen Lederhosen nach langem Wursteln schließlich einen komplett verknüllten Fünfeuroschein zutage.
    Da wendet sich der Verkäufer an Marvel. »Und du? Willst du die andere?«
    »Was ist das?«, fragt Marvel.
    »Wodka.«

    »Aus Russland«, erklärt der Rocker. »Gute Qualität, Mann! Kommt direkt aus dem Freihafen.«
    Marvel will erst nicht. Er denkt, er hat schon genug getankt, aber dann will er doch. Als er sich mit der Flasche zu dem Rocker umdreht und ihm zuprosten will, ist der verschwunden. Er hält die Flasche am Flaschenhals und bahnt sich damit einen Weg durch die Menge, die immer dichter wird. Zur nächsten Band, zu den nächsten Gruppen, die gut drauf sind. Und alle paar Schritte bleibt er stehen und nimmt einen Schluck aus der Flasche, schwenkt sie einmal über seinen Kopf und ruft: »Bully! Mauki! Jojo! Wo seid ihr, verdammt!«
    Plötzlich stehen sie vor ihm.
    »Mann, du hast eine Art, zu verduften«, schimpft Jojo. »Das macht mich
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