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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma
Autoren: Brigitte Blobel
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handeln muss. Als er sieht, dass unter ihrem Namen, sie heißt Wanda Felix, dick und fett »Multimedia Film- und Fernsehgesellschaft mbH« steht, beschleunigt sich sein Puls.
    Wanda Felix lacht. »Ja, ich weiß, Scout klingt nach einem komischen Beruf. Aber das ist nicht komisch, sondern ganz seriös. Wir suchen gerade nach neuen Gesichtern. Für eine Soap. Auf ProFive, falls ihr den Sender kennt. Oder? Nie gehört?« Sie lacht.
    Marvel schweigt beharrlich. Schweigen kommt oft cooler als
ein flapsiger Spruch. Weil wer schweigt, ja einen viel cooleren Spruch draufhaben könnte, den aber lieber für bessere Leute aufbewahrt.
    Dabei guckt die Ringeltaube Marvel unentwegt an, wohl um herauszufinden, ob ihn das alles überhaupt interessiert. Es interessiert Marvel schon, aber er findet nicht, dass er das dieser Wanda gleich stecken sollte, und dann vor den Kumpels. So hält er sich lieber bedeckt und zieht die Kapuze noch tiefer in die Stirn.
    Wanda wird vertraulicher. »Darf man wissen, wie du heißt?«
    »Marvin.«
    Sie legt ihre Hand auf seinen Arm. Marvel schaut auf diese Hand, als überlege er, sie abzuschütteln.
    »Marvin. Schön.«
    »Stimmt gar nicht. Er heißt seit Ewigkeiten Marvel.« Mauki legt Marvel einen Arm um die Schulter. »Das ist nämlich englisch und heißt Wunder oder so was. War’ne coole Idee von seinen Eltern.«
    Marvel schüttelt ihn ab. »Hör auf«, knurrt er.
    »Wir sind gerade mitten in den Castings, Marvel«, sagt Wanda munter, »und ich würde dich sehr gern dazu einladen. Du hast genau das Gesicht, das wir suchen.«
    Marvel findet das irgendwie beleidigend. Er weiß, wie er aussieht, er kennt die kleine Lücke zwischen seinen Vorderzähnen besser als irgendjemand sonst und den Wirbel, der jeden Ansatz einer coolen Frisur im Keim erstickt. Er sagt also nichts.
    Mauki pfeift durch die Zähne. »Wow! Das ist der Moment, wo der Hund das Wasser lässt.«
    Bully feixt: »Wer ist tot?«, während Jojo mit schief gelegtem Kopf auf die Visitenkarte späht.
    Marvel verzieht die ganze Zeit nicht einmal das Gesicht. Er
macht auf supercool, was immer anstrengend ist. Er merkt es daran, wie sein Adrenalinspiegel steigt. Als gehe sein Puls plötzlich schneller, als pumpten seine Adern in einer Minute so viel Blut wie sonst an einem ganzen Schultag in seinen Kopf.
    Casting!
    Fernsehserie!!
    ProFive!!!
    »Also, das ist keine von diesen piefigen Hausfrauenserien, wie ihr sie sonst vielleicht kennt«, sagt Wanda. Als würden 15-jährige Jungen sich Hausfrauenserien ansehen! »Sondern was ganz Neues, wir wollen die Geschichte rappiger erzählen, schneller und cooler, eben proFive-mäßig.«
    »ProFive-mäßig!« Bully feixt.
    »Und im Himmel ist Jahrmarkt«, sagt Mauki trocken.
    »Rappiger!« Jojo nimmt das Wort in den Mund wie einen Mentholbonbon, woran man nur ganz vorsichtig herumlutschen kann.
    Marvel schnauzt plötzlich los: »Haltet doch endlich mal die Klappe!«
    Wanda sieht wieder nur Marvel an. »Also, wenn du Lust hast, Marvel, ruf einfach an. Auf der Rückseite steht meine Handynummer. Ich bin meistens unterwegs. Im Büro erwischst du mich eher selten.«
    »Und was ist mit meinen Kumpels?« Marvel deutet auf seine Freunde.
    Wanda grinst verlegen. »Also, ihr seid alle cool«, sagt sie, »aber wir suchen im Moment einfach nur diesen Typen.« Und sie deutet wieder auf Marvel.
    Der holt tief Luft und zuckt mit den Schultern »Okay, ich kann’s mir ja mal überlegen.«
    Wanda lächelt ihn an. »Fein«, sagt sie fröhlich, »aber überleg nicht zu lange, denn andere Schulen haben auch coole Typen.«
Sie winkt den anderen zu, als wisse sie gar nicht, dass sie Marvel eben einen Schlag unter die Gürtellinie versetzt hat, dreht sich um und stapft mit ihren roten Fellstiefeln vom Schulhof.
    Marvel und seine Clique starren ihr nach.
    »Mann! Marvel! Ey! Kumpel!« Jojo boxt Marvin in die Rippen. Ein bisschen zu grob. Fast schon nicht mehr freundschaftlich.
    Etwa neidisch?, denkt Marvin.
    »Geil, wie im Film!«, ruft Mauki.
    Bully schüttelt nur feixend den Kopf und sagt schließlich: »Darauf brauch ich dringend ein Bier. Wie sieht’s bei euch aus?«
    »Idiot!« Jojo tippt ihm gegen die Stirn. »Wir schreiben gleich Latein.«
    Bully beharrt auf seiner Idee. »Dann aber direkt danach. Nach der sechsten zu Onkel Herbie. So was muss begossen werden.«
    Für alle, die Hamburg nicht kennen: Onkel Herbie ist die kleine Imbissstube in ihrem Viertel, zwischen Alster und U-Bahn-Haltestelle. Onkel Herbie hat alles,
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