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Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2

Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2

Titel: Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
Autoren: Westfalen> F.-Coppenrath-Verlag <Münster
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das Donnerwetter, das er erwartete, blieb aus. Stattdessen atmete jetzt auch Henriette Habermick tief durch und legte dann ihre Hände sanft auf Mathildas Schultern.
    »Es ist sicher richtig, dass es mir zurzeit nicht an Geld mangelt«, sagte sie. »Und es ist auch richtig, dass ich das ganz allein dir zu verdanken habe … Auch wenn ich nicht verschweigen will, dass ich mich mit dreißig Euro für die Stunde Hausarbeit bei Herrn Heinrichen nach wie vor ein wenig überbezahlt fühle. Aber ich will dir keine Vorwürfe machen, mein Kind. Und ich möchte auch Herrn Heinrichen nicht kränken, indem ich seine Großzügigkeit abweise, sondern habe meine eigene Lösung in dieser Angelegenheit gefunden.«
    Oskar sah seine Mutter erstaunt an. Davon hatte sie ihm nie etwas erzählt.
    »Von meinem Wochenlohn behalte ich nur jeweils ein Drittel, also einhundertundfünfzig Euro. Die restlichen dreihundert Euro lege ich zurück«, erklärte sie nun.
    »Aha«, sagte Mathilda. Ihrer Ansicht nach war Geld dazu da, ausgegeben zu werden. Bestimmt tat es ihm nicht gut, wenn es nur irgendwo herumlag. Durch die Aktiengeschäfte, die ihr Vater tätigte, wusste sie, dass Geld bisweilen einfach über Nacht seinen Wert verlor, sodass man im schlimmsten Fall gar nichts mehr dafür kaufen konnte oder plötzlich Unsummen für einen Laib Brot bezahlen musste.
    War es da nicht viel besser, man tauschte das Geld gleich gegen Dinge ein? Häuser, Autos, Möbel oder Schuhe nutzten sich mit der Zeit zwar ab, aber ganz sicher lief man nicht Gefahr, urplötzlich und von jetzt auf gleich ohne etwas dazustehen.
    Mathilda musste sehr viel Kraft aufbieten, um diese Gedanken in ihrem Kopf festzuhalten, denn sie drängten mit aller Macht in ihre Kehle und waren bereits im Begriff, über ihre Lippen zu sprudeln. Aber Frau Habermick wollte sie bestimmt nicht gerne hören.
    »Oskars Turnschuhe waren so gut wie neu. Bis zum Herbst hätte er sie sicher noch tragen können«, fuhr sie jetzt fort und hielt dabei Mathildas Augen fest im Blick. »Es mag ja sein, dass du es gewohnt bist, immer gleich alles ersetzt zu bekommen, was du verlierst. Daraus kann und will ich dir auch keinen Vorwurf machen. Ich möchte dich nur bitten, einmal inRuhe darüber nachzudenken. Du bist ein kluges Mädchen. Ich bin sicher, dass du sehr schnell dahinterkommen wirst, dass dennoch jedes Ding seinen ganz eigenen Wert hat, den man nicht immer ohne Weiteres ersetzen kann.«
    Das weiß ich doch!, lag es Mathilda auf der Zunge, aber plötzlich fühlte sich ihr Hals wie zugeschnürt an. Er wollte einfach kein Wort mehr hindurchlassen. Und zu allem Überfluss standen ihr schon wieder die Tränen in den Augen.
    Mathilda fühlte sich schrecklich. Was sollte Oskar bloß von ihr denken? Etwa, dass sie eine elende Heulsuse war? – Oh nein! Eher würde sie sterben, als zuzulassen, dass er ein solches Bild von ihr bekam.
    Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich auf dem Absatz umzudrehen, zur Buchsbaumhecke zu wetzen und in ihren Garten hinüberzuhuschen.

Mathilda konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt drei Viertel des Tages in ihrem Zimmer verbracht, geschweige denn, dass sie jemals so viel geheult hatte. Sie lag auf ihrem Bett, hatte die Jalousien heruntergelassen und ihren Kopf unter ein großes Kissen gesteckt. Angestrengt versuchte sie, nicht an Oskar zu denken – und auch nicht an ihre Eltern oder Henriette Habermick oder irgendjemanden sonst. Währenddessen wurde das Laken unter ihrem Gesicht immer nasser.
    Irgendwann ging das Weinen in ein stoßweises Schluchzen über und schließlich versiegten ihre Tränen ganz. Mathilda schleuderte das Kissen vom Bett und setzte sich auf. Ihr Blick fiel auf den Radiowecker.
    Es war genau achtzehn Uhr dreiunddreißig.
    Hätte Mathilda sich nicht so elend gefühlt, hätte sie jetzt wahrscheinlich laut losgelacht. Ihr Wecker wollte sie wohl verspotten! Dabei wäre es so schön gewesen, wenn sie ihn beim Wort beziehungsweise bei der Zahl hätte nehmen können. Dann wäre das Ganze nämlich ein Hinweis darauf gewesen, dass die Freundschaft zwischen Oskar und ihr gerettet war.
    Aber dummerweise hatte Oskar heute Morgen die Drei in Opa Heinrichens Garten neben dem Komposthaufen verbuddelt. Und deshalb konnte ihr blöder Wecker bis ans Ende seiner Tage auf achtzehn Uhr dreiunddreißig stehen bleiben, es würde nichts daran ändern, dass sich alles geändert hatte.
    Die Sonne blinzelte durch die schmalen Schlitze zwischen den Lamellen und malte
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