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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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Der Laden war klein, aber
fein, weil es in der Nähe die Kaserne mit Artilleriegelände gab und im Sommer
die Touristen kamen. Der Vanden Pias, den wir hatten, war ein herrlicher Wagen,
alles Walnuss und echtes Leder und ein Fahrgefühl, dass du den Leuten draußen
am liebsten zugewinkt hättest, als wärst du ein König. Aber es gibt nun mal ein
Limit, wie viel geistloses Gequatsche ein Mann aushalten kann, selbst wenn die
Polster noch so bequem sind. Ich wurde unruhig. Ich wollte mehr vom Leben. Auch
Audrey ging mir auf die Nerven: schon allein wie sie einen Raum betrat, wie
sie aß, ihre Angewohnheit, jeden Nachmittag im Wintergarten zu hocken und ihre
Zeitschriften durchzublättern, als wäre da nichts als Leere, sowohl auf der
Seite als auch zwischen ihren Ohren. Es wurde mir alles zu viel, als bliebe
mir keine Luft zum Atmen. Vielleicht lag es daran, wo wir wohnten. Ich meine,
Bungalows sind an sich schon nichts für einen Mann, aber das war es nicht
allein. Das ganze Dorf war so, klein und unnütz und ohne jede Perspektive. Als
würde man an einem Bonbon lutschen, das nie kleiner wurde. Was du auch
anstelltest, wie sehr du dich auch ins Zeug legtest, es war immer da, stopfte
dir den Mund voll. Ähnlich wie der Albtraum, den ich als Kind hatte, wenn die
Bettdecke sich hob und langsam auf mich zurollte, Welle für Welle, um mich zu
ersticken. Ich wachte dann immer schreiend auf, und Mum musste in mein Zimmer
gerannt kommen und mir den Kopf streicheln, bis ich mich beruhigte. Bloß war
Mum schon lange tot, und die Decke war durch ein Federbett ersetzt worden, und
mein ganzes Geschrei fand in meinem Kopf statt. Aber erstickt wurde ich, so
viel stand fest. Ich musste raus, raus aus dem Geschäft, raus aus meiner Ehe,
raus aus meinem beschissenen kleinkarierten Leben. Entweder das, oder ich
würde als Toter enden. Aber alles schön der Reihe nach: Audrey loswerden, den
Vanden Pias verkaufen und auf zu neuen Ufern. Der Plan sah so aus:
    1. Unversöhnlichen Streit mit Audrey provozieren, damit
...
    2. Audrey aus dem Haus stürzt, um eine halbe Meile entfernt
oben auf der fast hundert Meter hohen Klippe Dampf abzulassen, während ich ...
    3. ungesehen eine Abkürzung über den hinteren Weg nehme
und ...
    4. mich in einem strategisch günstig platzierten Ginsterbusch
nahe am Klippenrand verstecke, ehe ich ...
    5. Audrey, wenn sie schließlich kommt, von der Klippe
stoße, um daraufhin ...
    6. frohlockend zum Bungalow zurückzukehren und den Rest
meines Lebens stressfrei zu genießen.
    Hörte sich für mich plausibel an. Hört sich für Sie wahrscheinlich
auch plausibel an. Passiert war Folgendes:
    1. Ich hatte einen unversöhnlichen Streit mit Audrey provoziert,
woraufhin...
    2. Audrey aus dem Haus stürzte, um eine halbe Meile entfernt
oben auf der fast hundert Meter hohen Klippe Dampf abzulassen, während ich ...
    3. ungesehen eine Abkürzung über den hinteren Weg nahm
und...
    4. mich in einem strategisch günstig platzierten Ginsterbusch
nahe am Klippenrand versteckte, ehe ich ...
    5. Audrey, als sie schließlich kam, von der Klippe stieß,
woraufhin ...
    6. ich frohlockend zum Bungalow zurückkehrte, wo Audrey dreiviertelnackt vor dem Kamin saß und ihre Haare trocknen
ließ, neben sich zwei Gläser Whisky und eine Flasche Champagner.
    »Da bist du ja«, hatte sie gesagt. Ach
hab mich schon gefragt, wo du abgeblieben bist. Zieh die nassen Sachen aus.
Mach's dir bequem.«
    Zuerst dachte ich, sie wäre ein Geist, Audrey, die zurückgekommen
war, um mich heimzusuchen, so wie der Morgenmantel von ihren Schultern
rutschte, unter dem ihr Fleisch zum Vorschein kam, ganz heiß und fleckig, und
dann dieses grauenhafte Grinsen in ihrem Gesicht, aber Geister tun nicht das,
was Audrey dann tat, nicht dreimal in achtundzwanzig Minuten, plus Zugabe.
Irgendwas war schrecklich schiefgegangen.
     
    Ich sage Ihnen, was schiefgelaufen war. An dem Wochenende
war lausiges Wetter gewesen, und Audrey war in einer von diesen knallgelben
Öljacken losgezogen, wie sie die Männer von der Seenotrettung tragen. Daran war
nichts auszusetzen. Sie hatte nun mal so ein Teil, das immer neben der Haustür
hing. Das halbe Dorf hatte so ein Teil neben der Haustür hängen. Naja, kein
Wunder, es war schließlich ein Fischerdorf. Fischer tragen nun mal knallgelbe
Öljacken, die im Norden tragen Schiebermützen und die Waliser hoppeln in Clogs
herum. Natürlich hatte die Frau, die oben auf der Klippe aufgetaucht war, auch
eine knallgelbe Öljacke
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