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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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angehabt. Daher musste es Audrey gewesen sein. Das war
mein erster Fehler. Anscheinend hatte jeder, der an diesem Tag draußen
unterwegs gewesen war, eine knallgelbe Öljacke spazieren geführt. Ich hatte die
falsche Frau in die Tiefe gestoßen.
    Und es kam noch schlimmer. Ich hatte zwei Töchter, eine
eheliche namens Carol, die bei der erstbesten Gelegenheit mit Bruno dem
Beuteltier nach Australien abgehauen war, und noch eine, von der unehelichen
Sorte, die keine Viertelmeile von uns entfernt bei ihrem »Dad« wohnte und die
ich fast jeden Tag sah. Miranda hieß sie, Miranda, das Beste, was mir nie
passiert ist. Schon als ich sie das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass sie
von mir war. Ihre Mutter wusste das auch, aber wir bewahrten Stillschweigen
über dieses Spermium auf Abwegen. Wir waren nämlich verantwortungsbewusst,
wollten das Beste für sie, das Beste für uns alle. Tat aber ganz schön weh,
zuzusehen, wie Miranda aufwuchs, sich in eine echte Schönheit verwandelte. Nur
kleine Orte können Frauen wie Miranda hervorbringen, nur kleine Orte sind
trostlos genug, Spatzen, die versuchen, einen Schwan festzuhalten. Sie war
nämlich wie ich, jawohl, sie wollte mehr. Sie fühlte sich gefangen, wie ich,
wollte die Schwingen ausbreiten, wegfliegen. Jedenfalls, einen Tag nachdem ich
versucht hatte, Audrey von der Klippe zu schubsen, erfuhr ich, dass Miranda
genau an besagtem Nachmittag verschwunden war, und ja, sie hatte auch eine
gelbe Öljacke getragen. Und sobald ich das hörte, wusste ich, dass ich es getan
hatte, meine eigene Tochter getötet, die einzige Frau außer meiner Mum, die ich
je geliebt hatte, von einer Klippe gestoßen, ihr das blühende Leben genommen.
Ist das nicht furchtbar - dass ihr eigener Dad so etwas getan hatte?
    Dann folgten gut drei Wochen, in denen ich mich seltsam
verhielt, Audrey sich noch seltsamer verhielt, meine ganze Welt den Bach
runterging. Aber das Komische war, dass Audrey und ich trotz allem plötzlich
zum ersten Mal seit Jahren wieder miteinander klarkamen. Es war fast, als ob
wir irgendetwas gemeinsam hätten, das keiner von uns richtig benennen konnte,
doch es lag in allem, was wir taten. Der Himmel drohte einzustürzen, und
Audrey und ich befreiten uns von unseren Fesseln. Da draußen war etwas zum
Greifen nahe. Wenn wir es bloß zu fassen kriegen könnten...
    Und dann stürzte der Himmel tatsächlich ein, totaler, als
ich es je für möglich gehalten hätte. Ich hatte Miranda nicht von der Klippe
gestoßen. Ich konnte es nicht getan haben. Denn während ich oben auf der Klippe
im Ginsterbusch darauf wartete, dass Audrey erschien, hatte sie hinterm
Lenkrad des Vanden Pias gesessen, um Miranda zum Bahnhof zu bringen. Miranda
wollte ein neues Leben anfangen, mit diesem Zahnarzt von der Army, mit dem sie
ein Techtelmechtel hatte, wollte mit ihm durchbrennen, alles zurücklassen und
auf uns alle pfeifen. Nur kam sie nie am Bahnhof an, denn als die beiden nicht
mal eine Meile gefahren waren, hatte Audrey Miranda aus dem Wagen gezerrt, ihr
den Schädel mit einem Stein eingeschlagen und ihre Leiche aufs Artilleriegelände
geschleppt, wo sie von den Panzern in Stücke geschossen wurde, in Stücke
geschossen, während Audrey und ich es wie die Karnickel auf dem Teppich vor dem
Kamin trieben.
    Und Audrey verhielt sich obendrein auch noch clever. Ließ es
so aussehen, als wäre ich der Mörder: Sie hatte Mirandas Öljacke im Kofferraum
des Vanden Pias liegen lassen, einen ihrer Schuhe unters Bett gelegt, Mirandas
schönsten BH hinter dem Fischfutter im Hängeschrank versteckt. Und dabei hatte
ich mich für den Schlaumeier gehalten.
    Sie war clever, aber ihr Plan war nicht idiotensicher, zumindest
nicht, bis Inspector Rump erschien, auf der Suche nach Miranda. Er leitete die
Ermittlungen, aber da er Fischliebhaber war, interessierte er sich mehr für
die Karpfen in meinem Teich als dafür, was mit meinem Mädchen passiert war.
Prachtexemplare waren sie, meine beiden Asagis, blau und schön, bewegten sich
zusammen wie ein schwebender Traum. Nach Miranda bedeuteten die Kois mir mehr
als alles andere auf der Welt, und im Unterschied zu Miranda konnte ich sie
jederzeit sehen, mit ihnen sprechen, sie sogar anfassen. Torvill und Dean
hießen sie, und jedes Mal, wenn sie mit den Flossen winkten, hätten sie eine
Goldmedaille verdient. Rump konnte die Augen nicht von ihnen lassen, wogegen
nichts einzuwenden war, solange es ihn von meiner Wenigkeit und dem, was ich
oben auf der Klippe getan
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