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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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hinauf.
    Es war warm da oben, warm und ruhig, totenstill, als hätten
alle die Bühne verlassen, damit ich meine letzte Rolle spielen konnte, und ich
dachte, wenn das alles nicht passiert wäre, hätte ich Emily mit hierher
genommen und ihr gezeigt, wie es hier war, wie sagenhaft klar und schön es war,
wie groß, wie verdammt riesig und wundervoll und unbeherrschbar, wie das Leben
selbst. Dann schob sich eine Wolke vor die Sonne, und ein leichter Wind kam
auf, der kühl war, als bahnte sich eine Veränderung an, als wären die
Märchenzeiten vorbei.
    Ich packte den Spaten und stach ein säuberliches Loch aus,
hob die Grasnarbe behutsam ab, damit ich sie anschließend wieder ordentlich
drauflegen konnte. Ich grub etwa einen Meter tief, stampfte den Boden flach.
Dann holte ich das Scrabble-Set hervor und schüttete die Buchstaben aus. Ich
brauchte eine Weile, um die richtigen zu finden, sie so auf das Brett zu legen,
dass es aussah wie ein Grabstein, sie aufzukleben, damit sie nicht mehr
verrutschen konnten, aber schließlich bekam ich es hin.
    HIER RUHEN IN FRIEDEN
    ROBIN PARKER UND SEINE MUM EILEEN
    Nachdem alles schön fest getrocknet war, legte ich das
Brett ins Grab, packte die Schachtel und die restlichen Buchstaben daneben und
füllte die Grube auf, trat das Gras so gut ich konnte wieder fest. Eines Tages,
in Tausenden von Jahren, würde vielleicht ein anderer Robin das hier finden
und glauben, dass dieser Robin ein König oder so was Ähnliches gewesen war und
seine Mum eine Königin. Nun, seine Mum war eine Königin gewesen, was ihn dann
ja wohl zu einem König machte.
    Da bin ich nun, seitdem, und warte ab, was als Nächstes
passiert. Die Aussicht von der Beule ist gut, nicht bloß nach vorne aufs Meer,
sondern auch nach hinten, auf die Reihe Bungalows und das Dorf ganz unten. Eine
halbe Stunde nachdem ich fertig war, tauchte Emily auf, parkte ihren Wagen,
hüpfte zur Vordertür, klingelte. Nach einer Weile ging sie ums Haus herum, um
zu sehen, ob ich da war, spähte in den Wintergarten auf den Hai, ging dann zum
Teich, um sich dort umzusehen. Sie wartete fast eine ganze Stunde, die Gute,
doch schließlich stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon. Fuhr ziemlich schnell
davon, als wäre sie verärgert. Na ja, niemand lässt sich gern versetzen. Dann,
nach einer Weile, ging der Mond auf und die Sterne kamen heraus, und ich lag
auf der Beule und blickte in den Himmel, lauschte auf die tief unten rollenden
Wellen aus schwarzem Nichts. War mir kalt? Ich habe keine Ahnung. Ich schätze,
ja, denn ich wachte bibbernd auf, auch weinend.
    Inzwischen steht die Sonne schon ganz schön hoch. Vor zwei
Stunden erschien Alice und machte ihre Verrenkungen auf einer Matte auf dem
Rasen hinter ihrem Haus. Die arme alte Alice. Sie hatte so an mich geglaubt,
und da war sie, mit ausgestreckten Armen, voller Gottvertrauen, ohne zu ahnen,
was ich getan hatte. Ich kann den Polizeiwagen sehen, der langsam die Straße
herunterkommt. Er hat kein Blaulicht an, aber das heißt nichts. Natürlich hält
er vor dem Bungalow. Natürlich steigen ein paar Polizisten aus und rücken ihre
Mützen zurecht, als wollten sie auf eine Party. Ich spüre den Drang, so laut zu
rufen, dass sie mich hören. Hier bin ich. Hier ganz oben. Aber ich tu's nicht.
Ich warte einfach. Sie kommen noch früh genug her, um mich zu holen. Falls ich
dann noch da bin.
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