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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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mit
Michaela an meiner Seite, bekam ich die Chance dazu.«
    Wieder streckte sie die Hand aus. Diesmal ergriff Miss
Farrow sie, umschloss sie fest, als würden sie irgendetwas teilen, irgendetwas
Großes.
    »Ich hab mir das Gurtzeug angezogen und die Bungee-Jungs
haben mich beruhigt, mir würde nichts passieren, es war nämlich ganz schön
beängstigend. Es ging richtig tief nach unten, Al, richtig tief. Und dann hab
ich's getan. Ich hab mich auf die Plattform gestellt, die Arme ausgestreckt,
und ich bin gesprungen, als würde ich wieder zu Hause oben auf der Klippe stehen
und ins Meer springen, auf das ich mein Leben lang geschaut habe. Es war herrlich,
so mit dem Kopf voran in die Tiefe zu stürzen, einfach herrlich. Und das
Komische war, obwohl du in der Luft warst, fühlte es sich gar nicht so an, als
würdest du durch die Luft sausen, es war eher wie in einem Tunnel, einem
riesigen wogenden Tunnel, in den du tiefer und tiefer eindringst, wie in ...«
    »... das Geschlechtsteil einer Frau«, erklärte Michaela
ein bisschen zu laut für meinen Geschmack. Am Nebentisch erstarb das Gespräch.
Solche Ausdrücke sind im Knast nicht gebräuchlich. Audrey sprach des ungeachtet
weiter.
    »Dann hab ich das Wasser berührt, mit der Hand berührt,
Al, es berührt, wie eine Feder, wie ein Vogel im Flug, dann sauste ich wieder
hoch, höher und höher, bis ...«, sie schluckte, »irgendwas schieflief. Das
Gummiband wurde ganz schlaff. Ich hing da, mitten in der Luft, weder ganz oben
noch ganz unten, splitterfasernackt, verschnürt wie ein Rollbraten, bereit fürs
Jüngste Gericht und ...«
    »Moment, Audrey. Splitterfasernackt?«
    »Ich wusste, dass dich das hellhörig machen würde. Es ging
darum, sich innerlich zu öffnen, Al. Solltest du mal probieren, wenn du hier
rauskommst. Du könntest was über dich selbst erfahren. Jedenfalls, ich baumelte
also über der Welt wie ein neugeborenes Baby, noch mit der Nabelschnur
verbunden, frei von allem Schein, allen Lügen und Ausflüchten, aller
Selbsttäuschung. Und auf einmal wurde mir klar, was ich getan hatte, was ich
tun musste. Deshalb sind wir zurückgekommen. Ich konnte nicht mehr mit der Lüge
leben.«
    Sie sank in sich zusammen, als wäre sie leergelaufen. Ich
konnte ihr noch immer nicht ganz glauben.
    »Und warum verschwendest du dann Zeit damit, hierherzukommen?«
    »Bloß um mich zu entschuldigen, Al. Ich wollte sie nicht töten.
Es ist einfach passiert. Dein uneheliches Balg, du hast es mich tagtäglich
spüren lassen. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen.« Sie schob ihren
Stuhl zurück. »Entschuldigt. Ich muss mal pinkeln.«
    Sie stand auf und stolperte Richtung Toilette. Das hatte
ich noch nie erlebt. Die Audrey, die ich kannte, hatte eine Blase mit einem
Fassungsvermögen, dass die Titanic auf ihrem
Inhalt hätte schwimmen können. Michaela rückte mit ihrem Stuhl näher an den
Tisch.
    »Sie ist sehr zerknirscht«, sagte sie, so glatt und
gesittet, als wäre das allein ihr Verdienst. Sie hatte irgendwas an sich, das
ich nicht genau einordnen konnte, aber ich wusste, wenn ich es schaffte, sie
aus der Reserve zu locken ...
    »Entschuldigen Sie die Frage«, sagte ich, »aber gibt's
diese Bräune einfach so im Laden oder nur auf Rezept? Ich hatte nämlich mal
einen Wagen mit Walnussfurnier in der Farbe.«
    Sie blieb völlig gelassen. »Ich werde von Natur aus
schnell braun. Das ist wohl die Sonnenanbeterin in mir. Ich kann acht Stunden
ununterbrochen in der Sonne liegen, ohne mich einmal umdrehen zu müssen.« Ich
nickte. So ungefähr sah sie auch aus.
    »Und, wie haben Sie meine Audrey kennengelernt? Nicht
ausgestreckt an einem Strand, würde ich wetten. Sie hatte noch nie viel Hombre
Solaire in der Handtasche.«
    »Ihre Audrey?«
Die Distel war wieder in die Nase gerutscht. »Ich glaube nicht unbedingt, dass
sie sich noch als Ihre Audrey
sieht. Sie ist jetzt lesbisch, Mr Greenwood. Wussten Sie das nicht?«
    Ehrlich gesagt, doch. Meine Nachbarin, Mrs Schnüffelnase,
hatte mir eine Postkarte mit der Info geschickt, genau an dem Tag, als es
passierte. Vorne drauf war ein Esel in einem Baströckchen abgebildet, und auf
der Rückseite stand: »Audrey schläft mit den Mädels.« Ein richtiges
Energiebündel war die gute Schnüffelnase, vierundsechzig, als sie das schrieb. Sixty-Four. Einer wie ihr war Paul McCartney
offensichtlich nie begegnet.
    »Wie man hört, schlagen eine ganze Menge verheiratete
Frauen diesen Weg ein, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ist ja auch
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