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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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1.
    Ein Tag wie ein Fremdling. Der erste graue Schimmer des Tages quälte sich durch die Lamellen der Jalousien. Irgendwo musste es so etwas wie Licht geben. Ich zog die Beine an und fühlte dem Hämmern in meinem Kopf nach. Ich hatte einiges getrunken. Das Piranha ist kein Ort für Mineralwasser. Wie viele von Carlos durchtriebenen Drinks ich intus hatte, wusste ich allerdings nicht mehr. Das war Teil des Samstagabendspiels. Hier draußen gab es nicht viele Vergnügungen, aber das Piranha gehörte ohne jeden Zweifel dazu. Die Leute kamen aus Fürstenfeldbruck, Starnberg, sogar aus München. Wegen der Cocktails, die im Piranha einen legendären Ruf hatten. Und natürlich wegen der Musik und der Leute, die man kennenlernte, ganz locker und ohne Verpflichtungen.
    Ich rollte mich aus dem Bett und blieb ein paar Minuten auf dem Bettvorleger hocken, bis sich das Schwindelgefühl legte. Schließlich rappelte ich mich auf und wankte aus dem Schlafzimmer auf der Suche nach ein paar Aspirintabletten.
    Aus der Erinnerung heraus fällt es mir schwer zu sagen, ob ich überrascht war, als ich den Mann hinter meinem Herd stehen sah. Ich musste überrascht gewesen sein, denn ich kannte den Kerl nicht und er war auch hundertprozentig nicht mein Typ. Fönfrisur und Slippers, so was kam mir nicht ins Haus. Ich war mir sicher, auch in seinem Gesicht Verblüffung gesehen zu haben, als ich stehen blieb, die Hand noch an der Klinke zur Küchentür. Er hielt die Espressokanne in der Faust, als brauche er ein Wurfgeschoss. Sah mich von oben bis unten an. Ich wurde mir schmerzlich meiner 80 Kilo bewusst und der Tatsache, dass ich nur einen String und ein T-Shirt trug.
    Ich nahm ja ganz gerne mal einen Mann mit nach Hause. Nur für eine Nacht. Etwas Festes war nichts mehr für mich, besser, eine Frau kam allein im Leben zurecht, dann gab es keine Enttäuschungen. Aber für die Erotik tat ein Mann schon gut, und deswegen hatte ich mir angewöhnt, samstags im Piranha nach geeigneten Exemplaren Ausschau zu halten. Ein wenig Intelligenz konnte nicht schaden, und selbstverständlich mussten es Männer sein, die Spaß an runden weiblichen Formen hatten. Wer mit einem Telegrafenmast ins Bett wollte, bitte, sollte er, aber dafür war ich nicht die richtige Kandidatin. Ich war auch nicht traurig, wenn ich einige Wochen lang keinen Kerl fand, der meinen Ansprüchen genügte. Aber den Fuzzi, der nun die Espressokanne abstellte, sie aufschraubte und mit wichtiger Miene den Kaffeesatz in die Spüle klopfte, hatte ich garantiert nicht mit nach Hause genommen.
    »Morgen«, deklamierte er und grapschte sich die Dose mit dem Kaffeepulver. »Espresso?« Er grinste mich an. Hatte sich in diesem Moment schon wieder gefasst, hatte wohl die Absicht, sich davonzumachen, bevor ich aus den Federn kroch, aber nicht ohne ein anständiges Dope. Routiniert schraubte er die Kanne zusammen und stellte sie auf den Herd. Ich rückte sie weg, bis mir einfiel, dass ich eine gute Dosis Koffein vertragen würde. Also schob ich sie wieder zurecht.
    »Hau ab.«
    »Na, komm schon.« Er grinste. Kurze Stummelzähne schwebten für einen Augenblick über seiner Unterlippe. Nein, danke. Mit diesem Knallkopf hatte ich nicht geschlafen, nicht einmal im Traum. »War es nicht schön mit mir?«
    Ich war noch zu weggetreten, zu ausgelaugt von der Nacht in der Bar, den Drinks und der Musik. Sonst hätte ich etwas gemerkt. Aber in meinem derangierten Zustand war ich zu k. o., um ihn hochkant rauszuschmeißen. Ich hockte mich auf einen meiner Barhocker und lauschte der Espressomaschine, die leise zu summen begann, bis der Kaffee sich brausend wie die Brandung des Mittelmeeres in die obere Hälfte der Kanne ergoss.
    Er steckte den Kopf in meinen Kühlschrank und beäugte die ausgeweideten Fächer. »Keine Eier?«
    »Fehlen dir welche?«
    Er warf die Kühlschranktür zu und fühlte sich wie der Held in einem amerikanischen Film. Sorry, Darling. Für Eier mit Schinken reicht es nicht mehr.
    »Verpiss dich!«, sagte ich, während ich mir eine Tasse angelte. »Und fang bitte keine Diskussion an.«
    Er mimte den Enttäuschten. Ich griff in die Dose mit den Zuckertütchen, die ich in Cafés immer mitgehen lasse, und schleuderte ein paar in seine Richtung. »Zisch ab!«
    Er schien einen Moment zu überlegen, zuckte die Achseln, griff nach einer Aktentasche und machte sich auf den Weg. Die Haustür schlug zu. Draußen schnatterten die Gänse los. Sie mochten keinen unbekannten Besuch. Ich rührte Zucker
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