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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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irgendwie
einleuchtend, oder? Mit dem eigenen Geschlecht redet's sich besser, es versteht
und schätzt dich. Ich meine, ihr wisst, was ihr tut, für uns Männer dagegen ist
das alles ein bisschen rätselhaft. Also wo habt ihr euch kennengelernt, in
einem Chatroom, einem Lesbenklub?«
    Sie legte das Notizbuch auf den Tisch. »Sozusagen. Eine
gemeinsame Freundin von uns brachte sie zum Radsport. Audrey war gleich Feuer
und Flamme. Na, kein Wunder, bei den Beinen. Schauen Sie mal.«
    Sie klappte das Notizbuch auf und holte ein Foto zwischen
den Seiten hervor. Ich warf einen Blick darauf. Audrey und Michaela posierten
in voller Radsportmontur, und zwischen ihnen stand eine weitere Frau. Sie sahen
alle drei entsetzlich glücklich aus. Ich gab Michaela das Foto zurück. Ich wusste
nicht, was ich sagen sollte.
    »Das wurde vor zwei Jahren in Sydney aufgenommen, bei der
Schwulen- und Lesben-Olympiade«, erklärte Michaela mir. »Gleich nach dem
Radrennen für über Fünfzigjährige. Ich wurde Erste, Audrey Dritte. So haben
wir uns kennengelernt. Ich hab sie auf Anhieb wiedererkannt. Sie war in mein
altes Fitnessstudio gegangen, in Wool. Judes hieß es. Ich kannte sie damals
nicht, aber ich hab sie immer auf der Rudermaschine gesehen. Da hat sie mich
schon beeindruckt. Doch als wir uns richtig kennenlernten, in Australien, da
hat es gleich zwischen uns gefunkt. Und als sie erfuhr, wer ich bin, das war
überwältigend. Es war, als hätten wir beide schon unser ganzes Leben auf diesen
Augenblick gewartet. Als die Zeit des Abschieds kam, hat sie sich einfach
geweigert. Sie ist mit mir gekommen, einfach so. Wir haben zusammen ein
Taxiunternehmen gegründet.«
    Das kam mir schrecklich bekannt vor. »Moment, nicht
verraten. Ihr habt euch Uniformen machen lassen.«
    »Graue, ja. Wieso?«
    »Schon gut. Weiter.«
    »Wir hatten ein tolles Leben, ein florierendes Geschäft,
einen hübschen Bungalow, jede Menge sportliche Aktivitäten, Schwimmen, Reiten,
Golf. Sie hat einen sehr guten Schlag, wussten Sie das?«
    Ich musterte sie forschend. Ich hatte sie schon mal gesehen,
ganz sicher, aber mir fiel ums Verrecken nicht ein, wo.
    »Entschuldigen Sie die Frage«, sagte ich, »aber ich hab
noch immer keinen Schimmer, wer zum Teufel Sie eigentlich sind.«
    »Nein? Ich bin Ihre zweite große Überraschung heute«,
sagte sie.
    »Angenehm oder unangenehm?«, fragte ich. »Wäre schön zu
wissen.«
    Sie legte die Hände an die Lippen, öffnete sie dann, die
Handflächen nach außen. Es sah aus, als hätte sie das geprobt. »Das kommt ganz
auf Ihren Standpunkt an, Mr Greenwood. Für meinen Mann bin ich eine unangenehme
Überraschung, eine Erinnerung an seine zahlreichen Unzulänglichkeiten, nicht
nur hinsichtlich des von ihm gewählten Berufes, sondern auch als Mensch. Für
Sie bin ich, da ich weiß, was Sie in der Vergangenheit über mich gesagt haben,
vermutlich eine angenehme, sobald Sie meinen Namen erfahren.«
    Sie legte ihre Hand auf meine. Besucher dürfen das eigentlich
nicht, aber ich wollte sie nicht davon abhalten. Die Hand war kalt, kalt und
muskulös, aber nicht unangenehm. Ein Kribbeln lief mir über den Rücken.
    »Wer zum Teufel bin ich? Ich bin Michaela Rump, Mr
Greenwood, Adam Rumps Frau. Sie wissen schon, die Frau, die Sie von einer
Klippe gestoßen haben.«
    Ihre Lippen öffneten sich zu einem Lächeln. Ihre Zähne
waren so groß wie Klaviertasten.
    »Und wissen Sie was?«, sagte sie. »Ich hab kaum was gespürt.«
    Ihre Zunge glitt über die Tasten. Die Disteln hätten keine
Chance gehabt.
     
    ZWEI
     
    Danach erinnere ich mich nicht mehr an viel. Audrey kam
mit verquollenen Augen zurück. »Ich hoffe, die Klos im Frauengefängnis sind
besser«, sagte sie, als sie wieder Platz nahm. »So. Ich hab gesagt, was ich
sagen wollte. Nur noch ein paar Kleinigkeiten. Das Geschäft existiert leider
nicht mehr.« Sie blickte sich fast erfreut um, als hätte sie mir auch das
weggenommen.
    »Stört mich nicht. Merkwürdigerweise sind meine guten
Manieren, die ich als Taxifahrer mal hatte, irgendwie verflogen. Bleibt auch
nicht aus, wenn man völlig grundlos dreiundzwanzig Stunden am Tag eingesperrt
ist.«
    Sie hörte gar nicht hin. »Dir steht eine Entschädigung zu.
Ein ordentliches Sümmchen, schätze ich. Verdienstausfall, Rufschädigung.«
    Michaela schnaubte erneut, und ihre Mundwinkel bogen sich
nach oben - wie ein junger Elvis, der drauf und dran ist, eine Schlägerei
anzuzetteln. Sie hätte gut ausgesehen mit glatt
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