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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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Ecken ragte ein Turm auf. Entweder hatten die Türme keine Fenster oder diese verbargen sich hinter Holos, die den Eindruck vermittelten, sie würden nicht existieren.
    Ich wanderte wieder zu meinem Zelt, nachdem ich auf dem Weg dorthin die Fackel ihrem Eigentümer zurückgegeben hatte. Annie, Billy, Lizzie und Brad waren bereits paarweise in ihren Zelten verschwunden. Von Westen zogen bedrohliche Wolken auf. Ich hockte lange im Freien, eingewickelt in eine Plane aus PlastiTuch, und fror, obwohl es sicherlich über zwanzig Grad hatte. Mir gegenüber hockte das Gefängnis, massiv und reglos; nicht einmal eine holographische Fahne flatterte über seinem Dach. Wie tot.
     
    »Lizzie, du mußt etwas für mich tun. Etwas unerhört Wichtiges.«
    Sie blickte auf. Mitten im Wald hatte ich sie gefunden, nachdem ich stundenlang bei völlig Fremden nach einem mageren schwarzen Mädchen mit rosa Schleifen an den Zöpfen gefragt hatte. Sie saß auf einem umgestürzten Baumstamm, an dem sich die Rückseite ihrer Oberschenkel vermutlich gerade gütlich tat. Sie hatte geweint. Brad, klarerweise. Ich würde ihn umbringen. Nein, würde ich nicht. Nur so konnte sie lernen. Claude-Eugene-Rex-Paul-Anthony-Russell-David.
    Der Zeitpunkt war günstig; ich konnte mir diese Tränen zunutze machen.
    »Lizzie, ich muß eine Mitteilung nach Charleston schicken. Ich kann nicht selbst gehen, weil die AEGS mich aus der Ferne überwacht, das weißt du ja. Sie würden es sofort erfahren. Und sonst kann ich niemandem vertrauen. Deine Mutter würde es nicht machen, und Billy würde deine Mutter nicht alleinlassen…«
    Sie fuhr fort, zu mir aufzuschauen, ohne den Gesichtsausdruck zu verändern; sie hatte verschwollene Augen, und ihre Nase war rot.
    »Es handelt sich um Miranda Sharifi«, erklärte ich. »Lizzie, es ist unglaublich wichtig. Du mußt an meiner Stelle nach Charleston gehen. Ich werde dir in dein Terminal eine zeitcodierte Anweisung eingeben, was du tun mußt, nachdem du dort eingetroffen bist. Um ehrlich zu sein, das habe ich bereits getan. Ich weiß, daß das sehr geheimnisvoll klingt, aber es geht nicht anders.« Ich legte alles, was mir zur Verfügung stand – oder einst zur Verfügung gestanden hatte – in die letzten paar Worte: die Macher-Autorität; den Befehlston eines Erwachsenen; die Überzeugung, daß dieses Mädchen mich gern hatte.
    Lizzie fuhr fort, mich ausdruckslos anzusehen.
    Ich hielt ihr das Terminal hin. »Du folgst der Gravbahn-Trasse, bis sie sich in Ash Falls teilt. Dort…«
    »Es gibt keine Mitteilung über Miranda Sharifi«, sagte Lizzie.
    »Ich sagte doch gerade, daß ich eine hätte!« Macher-Autorität. Befehlston des Erwachsenen.
    »Nein. Es gibt nichts, was irgend jemand für Miranda tun kann. Du willst mich bloß weghaben von hier, weil du Angst hast, daß die Untergrundkämpfer heute nacht angreifen werden!«
    »Nein, keineswegs. Wie kannst du nur annehmen…« – du, die mir soviel verdankt! sagte mein Tonfall –, »daß ich nicht über Möglichkeiten verfüge, von denen du keine Ahnung hast? Wenn ich sage, es gibt eine lebenswichtige Botschaft, die Miranda Sharifi betrifft, dann gibt es diese lebenswichtige Botschaft auch!«
    Lizzie starrte mich an – mit leerem, hoffnungslosem Blick.
    »Lizzie…!«
    »Er hat mich verlassen! Wegen Maura Casey!«
    Man soll nicht lachen über die erste unglückliche Liebe. Es wird später, wenn man erwachsen ist, auch nicht anders. Ich setzte mich neben sie auf den Baumstamm.
    »Er sagt… er sagt… daß es nicht gut ist, wenn man so klug ist wie ich!«
    »Das sagen die Nutzer alle«, bemerkte ich nachsichtig. »Das ist Brad eben noch nicht aufgefallen.«
    »Aber ich bin ja wirklich klüger als er!« Sie klang wie ein Kind – das sie ja eigentlich noch war. »Viel klüger! Von manchen Sachen versteht er rein gar nichts!«
    Ich verkniff es mir, warum legst du dann Wert auf ihn? zu fragen; ich wußte, ab wann die Lage für logische Argumente aussichtslos war. Statt dessen sagte ich: »In deinem Leben werden dir die meisten Menschen dumm vorkommen, Lizzie. Angefangen mit deiner Mutter. Das ist einfach so. Eine unabänderliche Tatsache. Und so wird die Welt auch in Zukunft sein. Für dich.«
    Sie putzte sich die Nase mit einem Blatt. »Aber das ist mir zuwider! Ich will, daß die Leute mich verstehen!«
    »Nun ja. Du solltest dich an diesen Zustand gewöhnen.«
    »Er sagt, ich will ihn kontrollieren! Aber das will ich gar nicht!«
    Wer soll also die Entwicklung der
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