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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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zehntausend, alles in allem – sich in Bewegung gesetzt und war auf dem Weg Richtung Gefängnis. Gesittet wichen sie den Zelten und Lagerfeuern derjenigen aus, die in nächster Nähe des Gefängnisses kampierten, und achteten darauf, nichts zu zertreten. Und sobald sie Schulter an Schulter standen, begannen sie ihren Singsang.
    »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…! «
    Fünfzehn Minuten lang pulsierte das Holo, ehe es sich erneut veränderte:
     
    FREIHEIT ODER TOD
    WILLE UND IDEAL
     
    Das weiße Licht wurde zu einer amerikanischen Flagge, Sterne und Streifen überlagerten die Doppelhelix.
    »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…!«
    Fünfzehn Minuten später änderte sich die Schrift auf dem Holo zu:
     
    HOFFNUNG
    WILLE UND IDEAL
     
    »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…!«
    Aus der amerikanischen Flagge wurde eine Klapperschlange, halb aufgerichtet, um zuzubeißen. Sie wirkte so realistisch, daß ein paar Kinder anfingen zu weinen.
    Nach weiteren fünfzehn Minuten wurde die Schlange wieder von der ursprünglichen Doppelhelix und dem tugendhaften weißen Licht ersetzt. Diesmal bekamen wir drei Zeilen zu lesen:
     
    TOD DEN ABNORMITÄTEN
    ALLE MACHT DEN WAHREN NUTZERN
    WILLE UND IDEAL
     
    Die Doppelhelix rotierte langsam. Ich fragte mich unwillkürlich, wie viele der Anwesenden wohl wußten, wofür sie stand.
    »Freiheit für Miranda…!«
    Nach einer Stunde war es vorbei. Eine weitere Stunde verging, ehe die riesige Menschenmenge sich friedlich und komplett aufgelöst hatte, obwohl sie sofort, als das Holo verschwand, damit begann.
    In mein Zelt zurückgekehrt, lieh ich mir Lizzies Terminal mit dem Bibliothekskristall. ›Trampelt nicht auf mir herum!‹ wurde zum erstenmal auf Flaggen im kolonialen Süden gebraucht, als das Verhältnis zu England sich verschlechterte, und später als revolutionärer Slogan im größten Teil Neu-Englands übernommen. ›Freiheit oder Tod!‹ erschien im Anschluß an Patrick Henrys Aufforderung, sich gegen die britische Herrschaft aufzulehnen, auf Fahnen in Virginia. ›Hoffnung‹ stand auf der Flagge des bewaffneten Schoners Lee, der ersten Flagge, auf der die dreizehn Sterne jener britischen Kolonien aufschienen, die sich dann als Vereinigte Staaten selbständig machten. Was ›Wille und Ideal‹ betraf, konnte ich darüber nichts finden.
    Diese Wahnsinnigen betrachteten sich als Kolonisten in ihrem eigenen Land und kämpften für die Vernichtung eines Macher-Establishments, das sich zum größten Teil widerstandslos in Verstecke zurückgezogen hatte, und möglicherweise für den Untergang einer Nutzer-Bevölkerung, die im wesentlichen wehrlos war – wenn man einen monotonen Singsang nicht zu den Waffen zählte.
    Unter anderem war es auch Aufgabe einer Regierung, die Bürger des Staates vor derartigen verrückten Rebellen in Schutz zu nehmen, aber hatten wir überhaupt eine Regierung? Hatten wir noch einen Staat?
    Ich ging wieder zur Gefängnismauer, diesmal bis in ihre unmittelbare Nähe, nachdem ich mir von einem gefälligen Lagerbewohner eine Fackel geliehen hatte, welcher nur freundlich und ohne jeden Nachdruck bat, sie zurückzuerhalten, wenn ich sie nicht mehr brauchte. Mit der Fackel in der Hand schritt ich die Gefängnismauer entlang und inspizierte sie.
    Ein paar Graffiti, nicht sehr viele; nur wenige Nutzer konnten schreiben. Die paar Kritzeleien, auf die ich stieß, befanden sich nicht auf den Mauern selbst, denn die wurden natürlich von einem schimmernden Y-Schild geschützt; die Verfasser hatten eigens zu diesem Zweck Steinblöcke vom Flußufer hochgerollt und sie mühsam am Schild entlang aufgestapelt. Man sah noch das aufgerissene Erdreich als Spur des Weges, auf dem man sie herbeigeschafft hatte. Auf den Steinen stand: FREIEID FÜR MARANDA! WIR SIN AUCH MENSCHEN! NIDER MIT DISEN MAUERN!
    Ein rührender Kratzer in einem Felsblock, etwa fingerdick, wo irgendeine Gruppe symbolisch damit begonnen hatte, ›dise Mauern nider‹ zu reißen.
    Das Gefängnistor, das zum Fluß hin lag, glatt und unüberwindbar. Fünfzehn Meter hoch oben dunkle, blinde Tafeln: die Überwachungsschirme, die in Betrieb sein konnten oder auch nicht.
    Oberhalb der Mauern und kaum zu sehen, wenn man es nicht an den Rand seines Gesichtsfeldes rückte, reichte das Schimmern ein Stück nach außen wie eine überhängende Dachkante. Der Grund dafür war mir unerklärlich.
    An jeder der vier
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