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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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Glitzern, das nur dann zu sehen war, wenn man danach Ausschau hielt. Sie brauchten keine Flugzeuge; sie hätten auch weittragende Artillerie einsetzen können. Doch offenbar wollte jemand den Einsatz aus nächster Nähe aufzeichnen. Schwankend und den Tränen nahe erhob ich mich auf die Füße, als das Flugzeug tief über das Gefängnisdach hinwegglitt und mit seinem Summen den Chor übertönte. Die Leute schrien auf, und im selben Moment warf das Flugzeug eine einzelne Bombe mit Aufschlagzünder ab, die inmitten der Menge explodierte. Gerade genug für etwa fünfzig Tote, selbst in dieser Ansammlung von Körpern; sie spielten erst ein wenig.
    Schreiend begannen die Menschen zu drängen und zu stoßen. Die Glücklichen am Rande des Gedränges rannten auf die bewaldeten Hänge in der Ferne zu. Ich konnte sehen, wie einzelne Gestalten dicht dahinter folgten, zusammenstießen und übereinanderfielen. Sie waren weit weg, aber ich konnte sie deutlich voneinander abgegrenzt erkennen: Miranda hatte mir zu perfektem Sehvermögen verholten.
    Ein zweites Flugzeug, das ich nicht hatte kommen sehen, flog aus der Gegenrichtung über mich hinweg und verschwand hinter den Gefängnismauern. Ich hörte die zweite Bombe nicht, die auf der anderen Seite des Gebäudes gefallen sein mußte. Das Schreien übertönte die Explosion.
    Die Leute begannen einander niederzutrampeln.
    Billy. Annie. Lizzie…!
    Das erste Flugzeug hatte eine Schleife gezogen und kehrte hinter mir zurück. Und diesmal, das wußte ich, nicht nur, um zu spielen. Zu viele Menschen hatten sich vom Rand der Menge gelöst und versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Würde die Bombe direkt im Gefängnis von Oak Mountain einschlagen? Natürlich. Dort befand sich ja die Haupt-Abnormität. Ich wußte nicht, über welche Art von Abschirmung das Gefängnis verfügte, aber wenn es ein Atomangriff war…
    Das Holo über dem Gebäude veränderte sich ein letztes Mal:
     
    DER WILLE DES VOLKES
    DAS IDEAL MENSCHLICHER REINHEIT
     
    Ich dachte, ich würde Lizzie ausmachen. Verrückt – es war einfach nicht möglich, auf diese Entfernung einzelne Personen zu erkennen! Aber mein Unterbewußtsein legte offenbar Wert darauf, mich in soviel dramatischer Seelenqual wie nur möglich sterben zu sehen. Und so vermeinte ich Lizzie zu erblicken, wie sie davonstürzte und von in Panik geratenen Menschen niedergetrampelt wurde, die all dem zu entkommen suchten, was vom Augenblick der Erschaffung des ersten GenMod an unvermeidlich war.
    Ich drückte die Augen zu und erwartete den Tod. Dann öffnete ich sie wieder.
    Gerade rechtzeitig für die eine Nanosekunde, in der es geschah.
    Der Schutzschild um Oak Mountain leuchtete heller als das Holo am Himmel; es war der Moment, in dem das Gefängnis noch in einen silbrigen Schein getaucht war. Im nächsten Moment schoß Licht wie ein grotesk ausladendes Dach aus purer Energie von den Mauern des Gebäudes über die Menschenmenge rundum, und dann fiel die Bombe, oder was immer es war, auf den Energieschild und detonierte – oder prallte davon ab oder wurde zurückgeschleudert. Das Flugzeug explodierte in einem blendendhellen Lichtschein, der aber nicht wie ein Atomblitz wirkte. Und in der nächsten Sekunde eine zweite Explosion: das andere Flugzeug. Und dann Totenstille.
    Die meisten Menschen hatten aufgehört davonzurennen. Sie waren stehengeblieben und blickten hinauf zu dem mattsilbernen Dach, das sie schützte, zu dem von anderen Menschen geschaffenen Dach aus HighTech-Strahlung.
    Ich schrie auf und stolperte vorwärts, doch augenblicklich gab mein Knöchel unter mir nach, und ich fiel hin. Mit Hilfe der Arme stützte ich mich vom Boden ab und starrte nach oben. Das ›Dach‹ erstreckte sich bis an den Fuß der Berge; es war undurchsichtig, aber ich konnte die unmittelbar aufeinanderfolgenden Explosionen hören – Artillerie oder Strahlung oder irgend etwas anderes, das von der Spitze des fernen Berges aus dirigiert wurde.
    Wiederum schrien die Leute durcheinander, aber das Drängen und kopflose Trampeln hatte aufgehört. Hier, unter diesem Schutzschirm aus Energie, befand sich der sicherste Platz auf der Welt.
    Ich dachte: Huevos Verdes beschützt die Seinen.
    Ich ließ mich wieder zurücksinken, preßte die Wange gegen das harte Erdreich und hatte das Gefühl, keine Knochen in mir zu haben. Ich war zu keiner Bewegung fähig. Ein paar kleine Kinder hätten mich zermalmen können. Huevos Verdes hatte die Seine beschützt und damit
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