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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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von der Seite sieht, und nur, wenn man irgendwie…«
    »An der Peripherie des Gesichtsfeldes. Ja, ich weiß, Brad. Woher kamen sie also, wenn nicht aus dem Gefängnis?«
    »Lizzie und ich, wir haben davon erst letzte Woche gelernt.« Er legte seine Hand besitzergreifend auf Lizzies Knie. Annie runzelte die Stirn.
    »Woher kam also das Laserlicht, Brad?«
    »Erst fiel es mir überhaupt nicht auf. Und dann erinnerte ich mich an die…«
    »Woher, verdammt noch mal!«
    Erschrocken zeigte er mit dem Finger in die Ferne. Horizontal, zur Spitze eines Berges, dessen Namen ich nicht kannte. Ich starrte die vom Mondlicht scharf konturierte Silhouette des Berges an.
    »Möchte bloß wissen, warum du mich anschnauzt, du!« sagte Brad; sein Tonfall befand sich irgendwo zwischen Gehässigkeit und Trotz. Ich ignorierte ihn und hoffte nur, Lizzie würde recht bald das Interesse an ihm verlieren. Er war nicht halb so hell wie sie.
    O du ewig gleiche neue Welt!
    Ich konnte den Blick nicht von dem namenlosen schwarzen Berg abwenden. Dort waren sie also. Die Wille-und-Ideal-Untergrundbewegung, auf die Drew Arlen angespielt hatte und mit deren Mitglied Billy vor Wochen ins Gespräch gekommen war. Aber dieser Mann hatte seine Spritze gehabt. Sollte das bedeuten, daß man auch nach der Injektion und trotz der grundlegend veränderten biologischen Funktionen, die sie verursachte, in den Augen der Untergrundbewegung noch als ›menschlich‹ gelten konnte? Oder wurde der Mann von ihr nur als Informant benutzt, mit dem sie seines Doppelspiels wegen kurzen Prozeß machen würde, sobald der Krieg vorbei war? Es wäre nicht der erste Fall in der Geschichte der Menschheit…
    Diese Bewegung hatte den Duragem-Spalter freigesetzt. Sie brachte die Macher um. Sie hatte Drew Arlen zwei Monate lang erfolgreich vor Huevos Verdes verborgen gehalten. Sie rüstete ihre Soldaten mit militärischen Waffen der Vereinigten Staaten aus.
    Der Morgen graute bereits, als ich einschlief.
    In der folgenden Nacht erschien das Holo wiederum, jedoch leicht verändert.
    Die Doppelhelix, rot und blau in weißem Licht, war immer noch da. Aber diesmal lautete die blinkende Schrift:
     
    TRAMPELT NICHT AUF MIR HERUM
    WILLE UND IDEAL
     
    Trampelt nicht auf mir herum? Was für eine pseudorevolutionäre Gruppe konnte nur auf die hirnrissige Idee kommen, daß eine Herde ländlicher Matschfresser auf ihr herumtrampeln würde? Oder sich auch nur für sie interessierte?
    Ich hatte eine plötzliche Erleuchtung: Daß Nutzer durch die Anwendung der Spritzen angeblich zu Nicht-Menschen geworden waren, konnte es nicht allein sein, was den Haß der Untergrundkämpfer hervorgerufen hatte; es war ihr Desinteresse! Menschen, die sich die Injektion verabreicht hatten, schenkten nicht nur der bestehenden Regierung kaum Aufmerksamkeit, sondern sie interessierten sich ebensowenig für diejenigen, die vorhatten, sie abzulösen! Sie benötigten keine neue Regierung – oder meinten das zumindest. Und gewissen Leuten erschien es immer schon erstrebenswerter, gehaßt zu werden, als belanglos zu sein; alles, was irgendeine Reaktion – wie irrational diese auch sein mag – provoziert, ist besser, als belanglos zu erscheinen. Auch wenn die Reaktion nie umfangreich genug ist.
    Und noch etwas: Diese Holos machten nicht den Versuch, jemanden zu bekehren. Es gab keine Verlautbarungen, in denen erklärt wurde, warum die Leute sich der Untergrundbewegung anschließen sollten. Es gab keine simpel formulierten Flugblätter. Es gab keine Mitglieder, die arglistig nach empfänglichen Personen Ausschau hielten und diese dann mit eindringlicher Stimme zu überzeugen versuchten. Die Leute, die diese Holos in den Himmel projizierten, waren nicht an neuen Mitgliedern interessiert. Sie waren ausschließlich an selbstgerechter Gewalt interessiert.
    Die Nutzer starrten hinauf und reagierten auf das zweite Holo genauso wie auf das erste in der vorangegangenen Nacht. Geordnet, ohne Unruhe und ohne jedes Startsignal begannen sie sich auf das Gefängnis zuzubewegen. Keinerlei Hast war zu bemerken. Mütter nahmen sich die Zeit, ihre Kleinen warm einzupacken, um sie vor der Nachtkälte zu schützen, stillten ihr Baby in aller Ruhe zu Ende und besprachen, wer bei den bereits schlafenden Kindern zurückbleiben sollte. Die Lagerfeuer wurden mit Asche belegt. Die Strickenden beendeten die Reihe und taten das, was sie immer taten, um ihre Arbeit zu sichern. Doch innerhalb von zehn Minuten hatte jeder Erwachsene im Lager –
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