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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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zu seinem Make-up für den Auftritt.

 
     
     
    Buch I
    JULI 2114
     
     
     
     
     
     
    »Bei allem Vorwärtsstreben auf technischem Gebiet muß stets die Sorge um den Menschen und seine Geschicke im Zentrum des Interesses stehen, die Sorge um die großen ungelösten Probleme bei der Organisation der Arbeit und der Verteilung der Güter – damit die Werke unseres Verstandes der Menschheit zum Segen gereichen und nicht zum Fluch.«
     
    Albert Einstein,
    Vortrag am California Institute
    of Technology, 1931

 
    1
    Diana Covington:
    San Francisco
     
    Natürlich ist für manche von uns nichts genug.
    Diese Feststellung kann man auf zwei Arten auslegen, nicht wahr? Aber ich will damit nicht sagen, daß es uns je zufriedenstellen würde, nichts zu haben. Es stellt nicht einmal die Nutzer zufrieden, und wenn sie noch so rührend verbissen ihren ›noblen Lebensstil des Müßiggangs‹ betonen. Ja. Schon gut. Es gibt keinen unter uns, der es nicht besser wüßte. Wir Macher konnten gärende Unzufriedenheit immer schon mit geschlossenen Augen wahrnehmen. Wir sehen sie ja täglich im Spiegel.
    Mein IQ wurde nicht so hoch angehoben wie der von Paul.
    Meine Eltern konnten es sich nicht leisten, mir all die Genmodifikationen mitzugeben, die Aaron bekam.
    Meine Firma ist nicht so groß im Geschäft wie die von Karen.
    Meine Haut ist nicht so kleinporig wie die von Gina.
    Mein Wahlkreis stellt viel höhere Ansprüche als der von Luke. Glauben denn diese Blutsauger, ich bin ein Goldesel?
    Mein Hund ist nicht so hart an der Grenze genmodifiziert wie der von Stephanie.
    So gesehen war es genau dieser Hund von Stephanie, der in mir dem Entschluß weckte, mein Leben zu ändern. Ich weiß, wie das klingt. Aber alles, was den Beginn meiner Laufbahn bei der Aufsichtsbehörde für die Einhaltung genetischer Standards umrankt, klingt lächerlich. Warum also nicht mit Stephanies Hund anfangen? Er verleiht der Geschichte einen gewissen satirischen Beigeschmack. Soviel, daß es reichen würde für Monate eleganter Abendessen im Restaurant.
    Wenn nicht elegante Abendessen im Restaurant für immer Vergangenheit wären.
    Und Beigeschmack ist eine so flüchtige Sache.
    An einem Sonntagvormittag im Juli brachte Stephanie ihren Hund in mein Apartment in der Sicherheitsenklave von Bayview. Am Tag zuvor hatte ich von BioForms in Oakland töpfeweise neue Blumen gekauft, die sich jetzt in einer Orgie von Blautönen über die Balkonbrüstung ergossen – Blautöne, die weitaus vielfältiger waren als jene der San Francisco Bay, sechs Stockwerke tiefer. Kobalt, Stahlblau, Aquamarin, Azur, Zyanblau, Türkis, Indigo. Ich räkelte mich auf meiner Balkonliege, knabberte Aniskekse und betrachtete meine Blumen. Die Genkünstler hatten jede Blüte zu einer weichen, flatternden Röhre mit einem abgerundeten Ende geformt; die Blüten waren ziemlich groß. Im wesentlichen war mein Balkon übersät mit schlaffen blauen Gemüsepenissen. David war einen Monat zuvor ausgezogen.
    »Diana!« sagte Stephanie durch das Y-Feld hindurch, das sich zwischen den offenen Glastüren spannte. »Klopf, klopf!«
    »Wie bist du in die Wohnung gekommen?« fragte ich leicht ärgerlich. Stephanie besaß meinen Sicherheitscode nicht. Dazu war sie mir zu wenig sympathisch.
    »Dein Code ist geknackt. Er scheint im Polizeinetz auf. Dachte, das würde dich interessieren.« Stephanie war ein Bulle. Nicht von der Distriktspolizei – das war harte, schmutzige Arbeit, so mitten unter den Nutzern. Nichts für unsere Stephanie. Ihr gehörte vielmehr eine Firma, die Roboter für den Streifendienst der Enklavewachdienste lieferte. Die Robs entwarf sie selbst. Ihre imponierend erfolgreiche Firma hatte Verträge mit einer beachtlichen Anzahl von Enklaven in San Francisco, mit der meinen aber nicht. Mir zu sagen, daß mein Code im Rob-Netz aufschien, war ihre plumpe Art zu sticheln, weil meine Enklave eine andere Polizeitruppe einsetzte.
    Ich legte mich wieder bequem hin und griff nach meinem Drink. Die blauen Blüten dicht neben mir streckten sich nach meiner Hand aus.
    »Deinetwegen kriegen sie eine Erektion«, stellte Stephanie fest und trat zwischen den offenen Glastüren auf den Balkon. »Oh, Anisplätzchen! Darf ich Katous eins geben?«
    Der Hund war ihr aus dem kühlen Halbdunkel meines Apartments gefolgt und stand nun blinzelnd und schnüffelnd im strahlend hellen Sonnenschein. Er war provozierend auffällig und absolut illegal genmodifiziert. Die Aufsichtsbehörde für die Einhaltung
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