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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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nichts. Du bist eine Macherin. Du bist eine GenMod. Du verrichtest nützliche Arbeit.«
    Das letztere war entweder großzügig oder gemein. In meinem Leben habe ich eine reiche Auswahl von Arbeiten verrichtet – keine davon nachhaltig nützlich. Ich habe so eine Theorie über Leute, die sich immerzu mit kurzlebigen beruflichen Laufbahnen konfrontiert sehen. Nebenbei bemerkt, ist es dieselbe Theorie, die auch auf Leute anzuwenden ist, die sich immerzu mit kurzlebigen Liebschaften konfrontiert sehen. Bei beidem kommt man früher oder später an einem Tiefpunkt an – nicht nur in der neuen Karriere oder der sogenannten ›Liebes‹-Geschichte, sondern in sich selbst. Das kommt daher, weil jeder neue Job / Liebhaber neue eigene Unzulänglichkeiten aufdeckt. Mit einem entdecken wir unsere Fähigkeit, faul dahinzudämmern; mit einem anderen unser zänkisches Wesen; mit dem nächsten lernen wir, uns von manischem Ehrgeiz packen zu lassen, der einen mit seiner jämmerlichen Leere ängstigt. Das Resultat allzuvieler Jobs und allzuvieler Liebhaber ist also immer das gleiche: eine Ansammlung von persönlichen Tiefpunkten, ein Streuungsdiagramm unserer Leistungswerte, das unabwendbar zur rechten unteren Ecke absinkt. Alle unsere Schwachpunkte stehen nackt und bloß da. Was ein Job oder ein Liebhaber übersah, wird unweigerlich der nächste ans Tageslicht bringen.
    Während der letzten zehn Jahre habe ich im Sicherheitsdienst gearbeitet, in der Holovideo-Unterhaltungsbranche, in der Politik auf Gemeindeebene, in mehreren Vertriebsstellen von Möbelfabriken, im Roboter-Recht, in der Lebensmittelversorgung, im Schulwesen, in angewandter Synkographie, im Gesundheitswesen. Nichts gewagt, nichts gewonnen. Und doch nannte David, der nach Russel kam, der nach Anthony kam, der nach Paul kam, der nach Rex kam, der nach Eugene kam, der nach Claude kam, mich nie ›quecksilbrig‹. Was sicherlich gewisse Rückschlüsse zuläßt.
    Ich hatte auf Stephanies Seitenhieb nicht reagiert, also wiederholte sie ihn mit einem begierigen kleinen Lächeln: »Du bist eine Macherin, Diana. Du verrichtest nützliche Arbeit.«
    »Bin kurz davor«, sagte ich.
    Sie goß sich noch ein Glas ein. »Wird David zu der Party bei diesem Colin Kowalski kommen?«
    »Nein. Sicher nicht. Aber am Samstag wird er bei der Spendenaktion für Sarahs Wahlkampagne sein. Wir haben beide vor Wochen zugesagt.«
    »Und? Wirst du hingehen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Verstehe. Aber wenn ihr, David und du, wirklich miteinander fertig seid…«
    »Nichts wie ran, Stephanie.« Ich sah sie nicht an. Seit David ausgezogen war, hatte ich sieben Pfund und drei Freunde verloren.
    Also sagen wir, ich bin zur AEGS gegangen, weil ich sitzengelassen wurde. Sagen wir, ich war eifersüchtig. Sagen wir, Stephanie und alles, was sie verkörperte, kotzte mich an. Sagen wir, ich war in einem Moment von meinem Leben gelangweilt, der ganz besonders langweilig war. Sagen wir, ich hielt Ausschau nach einem neuen Nervenkitzel. Sagen wir, ich war impulsiv.
    »Ich werde ein Weilchen weggehen aus der Stadt«, sagte ich.
    »Ach? Und wohin?«
    »Weiß ich noch nicht. Hängt davon ab.« Ich warf einen letzten Blick über das Geländer auf den zerschmetterten, rührend komischen, kostbaren Hund, das Neueste an amerikanischer Technik und amerikanischen Werten.
    Sagen wir, ich war eine Patriotin.
     
    Am nächsten Morgen flog ich hinüber zu Colin Kowalskis Büro in einem Regierungskomplex westlich der Stadt. Aus der Luft gesehen bildeten die Gebäude und großzügig angelegten Landeplätze ein geometrisches Muster, umgeben von natürlich geformten Baumbeständen. Die Bäume waren sehr hellgrün und trugen gelbe Blüten; vermutlich hatte man sie durch Genmanipulation dazu gebracht, das ganze Jahr über zu blühen. Der Rand des kuppelförmigen Y-Sicherheitsfeldes bildete eine abrupte Grenze für Bäume und Rasen; außerhalb dieses geschützten Kreises bestand die Vegetation hauptsächlich aus Gestrüpp. Dort hielten ein paar Nutzer ein Rollerrennen ab.
    Von meinem Luftwagen aus konnte ich die ganze Rennbahn überblicken, eine gelblich leuchtende Linie aus Y-Energie, etwa einen Meter breit und sieben, acht kurvenreiche Kilometer lang. Aus der Startkapsel schoß ein Plattformroller, gelenkt von einer rotgekleideten Gestalt, die aus meiner Höhe und bei ihrer Geschwindigkeit nichts als ein verwischter Klecks war. Ich hatte schon einige Male bei Rollerrennen zugesehen. Die Gravs des Rollers waren dabei so
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