Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
 
Prolog
----
     
     
    Ihr Name war Chromis Anemone Laubenvogel, und sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt, um ihr Anliegen vorzutragen. Dass sie scheitern konnte, war ihr stets als vage Möglichkeit bewusst gewesen, aber nachdem ihr Schiff sie nun tatsächlich auf der Hauptwelt des Kongresses abgesetzt hatte, nachdem sie per Frameshift über all die vielen schwindelerregenden Lichtjahre nach Neu-Florenz gekommen war, hatte sich die vage Möglichkeit zur körperlich spürbaren Überzeugung verstärkt, dass sie eine schnelle und erschütternde Niederlage erleiden würde. Es hatte schon immer Leute gegeben, die ihr unaufgefordert versichert hatten, dass ihr Ansinnen zum Scheitern verurteilt war, aber jetzt kam ihr zum ersten Mal in den Sinn, dass sie recht gehabt haben könnten. Schließlich musste Chromis selbst eingestehen, dass ihr Antrag im höchsten Grade ungewöhnlich war.
    »Auf jeden Fall ist es ein schöner Tag«, sagte Rotfeder Indigo Mammatus, der zu ihr auf den Balkon trat, hoch über den von Wolken gesäumten Etagen und Gärten am Fuß des Kongressgebäudes.
    »Für die totale Erniedrigung, meinst du?«
    Rotfeder schüttelte freundlich den Kopf. »Es ist der letzte vollkommene Tag des Sommers. Ich habe nachgesehen. Ab morgen wird es kühler und stürmischer. Kommt dir das nicht als angemessene Verheißung vor?«
    »Ich mache mir Sorgen. Ich glaube, ich werde mich da drinnen restlos blamieren.«
    »Irgendwann hat sich jeder von uns schon einmal blamiert. In dieser Profession lässt es sich im Grunde gar nicht vermeiden.«
    Chromis und Rotfeder waren befreundete Politiker aus verschiedenen Kongresswahlkreisen des Lindblad-Rings. Chromis vertrat eine verhältnismäßig kleine Gruppe von besiedelten Welten, gerade mal hundertdreißig Planeten, die sich innerhalb eines Raumvolumens von nur zwanzig Lichtjahren drängten. Rotfeders Wahlkreis lag am Rand des Ringes und streifte die aufsässigen Außenwelten des Schleife-II-Imperiums. Er umfasste ein wesentlich größeres Gebiet, doch die Anzahl der Einheiten von Planetenklasse machte nur ein Drittel aus. Politisch hatten sie wenig miteinander gemeinsam, aber aus den gleichen Gründen gab es nur wenig, worüber sie sich streiten konnten. Wenn alle fünfhundert Jahre die Abgeordneten nach Neu-Florenz gerufen wurden, trafen sich Chromis und Rotfeder, um lebensüberdrüssige Geschichten von Skandalen und Schikanen aus ihren jeweiligen Wahlkreisen auszutauschen.
    Chromis betastete den Ring an ihrem rechten Zeigefinger und fuhr an den ineinander greifenden, hypnotisch komplexen Mustern entlang, die in die Oberfläche geprägt waren. »Glaubst du, dass sie sich darauf einlassen werden? Schließlich ist es achtzehntausend Jahre her. Es könnte etwas viel verlangt sein, in einem so großen Zeitrahmen zu denken.«
    »Der eigentliche Sinn dieser kleinen Übung besteht darin, sich etwas zu erträumen, mit dem wir zehntausend Jahre unseres ruhmreichen Kongresses würdigen können.« In Rotfeders Worten lag nur eine winzige Spur von Ironie. »Wenn die anderen Abgeordneten ihre fetten Ärsche nicht hochkriegen und sich keine weiteren achttausend Jahre vergegenwärtigen können, kann man ihnen nur noch die Vögte an den Hals wünschen.«
    »Mach darüber keine Witze«, sagte Chromis düster. »Ich habe gehört, dass man die Vögte erst vor vierhundert Jahren nach Hemlock schicken musste.«
    »Auch das war eine widerwärtige Geschichte. Offenbar gab es mindestens ein Dutzend nicht wiederbelebbarer Tote. Aber es sollte gar kein Witz sein, Chromis. Wenn sie nicht anbeißen, werde ich persönlich zu einer polizeilichen Aktion raten.«
    »Wenn die anderen es doch nur genauso sehen würden.«
    »Dann geh hinein und sorge dafür, dass sie es so sehen.« Rotfeder reichte ihr die Hand. »Außerdem wird es sowieso Zeit. Du solltest es tunlichst vermeiden, sie warten zu lassen.«
    Sie nahm keusch seine Hand an. Rotfeder war ein attraktiver Mann, und Chromis wusste aus sicheren Quellen, dass sie im Kongress viele Bewunderer hatte, aber ihre Freundschaft war streng platonisch. Beide waren auf ihren Heimatwelten gebunden. Ihre Partner verbrachten die Zeit unter Stasishauben, bis sie von Neu-Florenz zurückkehrten. Chromis liebte ihren Mann, auch wenn gelegentlich viele Tage vergingen, bis sie wieder einmal an ihn dachte. Wenn er ihr nicht geholfen hätte, hundertdreißig Welten zu überzeugen, dass es sich lohnte, diese Sache zu unterstützen, hätte sie die geplante Gedenkaktion schon vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher