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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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langer Zeit aufgeben können.
    »Ich mache mir wirklich große Sorgen, Rotfeder. Dass ich kurz davor stehe, fast tausend Jahre Vorbereitungszeit zu vermasseln.«
    »Behalt die Nerven und folge dem Drehbuch«, sagte Rotfeder ernst. »Nur keine genialen Ideen in letzter Minute!«
    »Das Gleiche gilt für dich. Vergiss nicht den ›beabsichtigten Empfänger‹.«
    Rotfeder lächelte beruhigend und führte sie in die stratosphärischen Ausmaße des Versammlungsraumes. Der Saal war in den frühen Jahrhunderten des Kongresses erbaut worden, als man den Ehrgeiz hatte, in Gebiete zu expandieren, die nun von benachbarten Staatswesen besetzt waren. Da Platz auf Neu-Florenz keine große Rolle spielte, verteilten sich die paar hundert Abgeordneten über eine sanft geneigte Fläche von fast einem Quadratkilometer Größe, und die Decke befand sich zehn Kilometer über ihren Köpfen. In der Mitte rotierte langsam ohne materielle Aufhängung der Sichtkubus, in dem ihre vergrößerten Abbilder erscheinen würden, wenn sie das Wort hatten. Vor Beginn der Sitzung projizierte der Kubus das uralte Emblem des Kongresses, eine dreidimensionale Umsetzung von Leonardo da Vincis Zeichnung eines nackten Mannes, der von Kreis und Quadrat umgeben war, während seine doppelt vorhandenen Gliedmaßen beide Formen berührten.
    Chromis und Rotfeder nahmen ihre Plätze auf zwei Seiten der Grundfläche ein. Die letzten paar Delegierten trafen per Transithaube ein. Schwarze Hüllen in Menschengestalt tauchten aus dem Nichts im Saal auf, bevor sie sich auflösten und die Insassen sichtbar wurden. Die Femtotechnik der Hauben verschmolz nahtlos mit den Maschinen des Kongressgebäudes. Jedes künstliche Objekt im Kongress des Lindblad-Rings – vom größten Frameshifter bis zum kleinsten Medoroboter – bestand aus zahllosen Kopien eines universellen femtotechnischen Elements.
    Routineangelegenheiten beanspruchten die erste Stunde der Sitzung. Chromis wartete geduldig, beschäftigte sich mit mentalen Permutationen und fragte sich, ob sie es lieber mit einem anderen Ansatz probieren sollte. Es war schwierig, die Stimmung der Versammelten einzuschätzen. Aber Rotfeder hatte ihr einen guten Rat gegeben. Sie behielt die Nerven, und als ihr das Wort erteilt wurde, hielt sie sich an die Rede, die sie sich schon vor der Abreise eingeprägt hatte.
    »Ehrwürdige Abgeordnete«, begann sie, als ihr vergrößertes Gesicht im Bildschirmkubus erschien, »wir stehen kurz vor dem zehntausendsten Jahr seit Gründung unserer ersten Kolonie, dem Anfang dessen, was wir heute als Kongress des Lindblad-Rings kennen. Ich glaube, dass wir uns in einer Hinsicht einig sind. Etwas muss geschehen, um diesen Meilenstein würdig zu begehen, etwas, das ein gutes Licht auf unser Staatswesen wirft, vor allem in Anbetracht ähnlicher Jubiläen, die kürzlich in zwei benachbarten Staatswesen gefeiert wurden. Es hat viele Vorschläge gegeben, was zu diesem Anlass geschehen sollte. Vielleicht ein Entwicklungsprojekt, ein lohnenswertes Terraformen oder eine rechtzeitige stellare Verjüngung. Die Errichtung einer Dyson-Sphäre, nur zum Spaß, oder der Frameshift eines ganzen Planeten in ein anderes System. Oder etwas so Bescheidenes wie den Bau einer Gedenkkuppel oder eines Springbrunnens.« Chromis machte eine kurze Pause und sah die Delegierten an, die die letztgenannten Projekte vorgeschlagen hatten, in der Hoffnung, sie schämten sich nun für ihren bestürzenden Mangel an Weitsicht.
    »Es gab viele wunderbare Anregungen, und zweifellos werden noch weitere hinzukommen, aber ich möchte etwas in einer gänzlich anderen Größenordnung vorschlagen. Statt etwas für uns selbst zu schaffen, ein Denkmal in unserem eigenen galaktischen Hinterhof, mache ich den bescheidenen Vorschlag, über eine Idee nachzudenken, die wesentlich uneigennütziger wäre. Ich schlage eine kühne Geste unserer kosmischen Dankbarkeit vor – die Übersendung einer Botschaft, eines Geschenks durch Zeit und Raum. Der Empfänger dieses Geschenks wird jene Person sein – oder die Nachkommen jener Person –, ohne die unsere Gesellschaft eine Struktur angenommen hätte, die für uns nicht wiederzuerkennen wäre.«
    Wieder machte Chromis eine Pause, und sie war immer noch nicht in der Lage, die Stimmung der Abgeordneten einzuschätzen. Sie konnte nicht erkennen, ob die ausdruckslosen Gesichter jener, die ihr nahe genug waren, Zustimmung oder Missbilligung zeigten. Sie atmete tief durch und fuhr fort. »Zweifellos hätten
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