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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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sie ihren Inhalt offenbaren möchte oder nicht. Dazu wäre ein gewisser Grad von Intelligenz nötig, um die Feinheiten menschlichen Verhaltens erkennen zu können. Dann könnte die Kopie ihre Entscheidungen an der Situation orientieren, die sie vorfindet.«
    »Mit anderen Worten, sie selbst sollte so etwas wie ein menschliches Wesen sein.«
    »Das liegt im Rahmen unserer Möglichkeiten, Rotfeder. Wenn ich es genauer betrachte, wäre es eine geradezu sträfliche Nachlässigkeit, die Kopien der Botschaft nicht mit intelligenten Bewusstseinen auszustatten.«
    Rotfeder dachte längere Zeit darüber nach, während Chromis beobachtete, wie sich die Schatten unter ihnen in ein tiefes, geheimnisvolles Dunkelrot verwandelten. Immer mehr Siedlungen leuchteten nun in der Abenddämmerung, und kleine Boote fuhren über den See, hell und farbenfroh wie Papierlaternen.
    »Ich glaube, ich muss mich deiner Meinung anschließen«, sagte er. »Aber es gibt da einen offensichtlichen Stolperstein: Wer würde sich einverstanden erklären, seine Persönlichkeit in eine Milliarde Flaschen kopieren zu lassen, wie eine billig produzierte Massenware?«
    »Ich bin überzeugt, dass sich ein Freiwilliger finden wird.«
    Er nickte wissend. »Und ich wette, du hast schon einen Kandidaten im Sinn.«
    »Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich gewonnen habe.«
    »Vergiss nicht: Spiel mit ihren Schuldgefühlen. Das funktioniert immer. Das hätte mir schon viel früher einfallen können.«
    »Vielleicht hätte es geholfen, Rotfeder. Dann hätten wir heute Abend wenigstens feiern können.«
    »Ach, das sollte uns nicht davon abhalten, es trotzdem zu tun. Wir können immer noch feiern, dass wir nicht von einer überwältigenden Mehrheit abgewiesen wurden.«
    Sie lächelte, als ein Teil ihrer früheren guten Laune zurückkehrte. »Mir ist jeder Vorwand recht.«
    Er blickte hinab zu den Siedlungen am Seeufer. »Ich weiß sogar schon einen tollen Laden – wir könnten uns jetzt gleich von einer Transithaube hinbringen lassen, wenn du möchtest.«
    »Sollte ich nicht lieber nach drinnen gehen und mich dem Trubel stellen?«
    »Würdevolle Stille wäre angemessener. So entfalten die nagenden Schuldgefühle viel besser ihre Wirkung.«
    »Wenn du es sagst.«
    »Ich weiß es. Jahrelange Erfahrung mit solchen Situationen.« Rotfeder schloss die Augen, um zwei Transithauben zu rufen. In Kürze würde die Femtotechnik in ihrer Umgebung einen kleinen Teil von sich abstellen, um die zwei Freunde sicher zu transportieren.
    »Hast du das ernst gemeint«, fragte Chromis, während sie warteten, »dass der Kongress nicht für die Ewigkeit gemacht ist?«
    »Wie ich bereits sagte, zehntausend Jahre sind eigentlich gar keine lange Zeit. Ich bin mir sicher, dass auch die Spicaner gedacht haben, sie würden ewig leben. Aber eines Tages wird mit uns das Gleiche geschehen. Wir werden verschwinden, und etwas anderes wird an unsere Stelle treten.«
    »Etwas Menschliches?«
    »Nicht unbedingt.«
    Die Hauben trafen ein und umkreisten sie wie eine Schar schwarzer Motten, bis sie ihre endgültige Reisekonfiguration angenommen hatten. Als sie spürten, dass ein Gespräch im Gange war, warteten sie diskret einen Moment ab, die beiden Menschen vom Balkon fortzubringen.
    »Dann wird all das hier«, sagte Chromis und deutete auf die Aussicht vor ihnen, »alles, was wir geschaffen und wofür wir gelebt haben, all die Träume, denen wir Existenz verliehen haben, nicht für immer hier sein? Davon bist du fest überzeugt?«
    »Es wäre egozentrisch, etwas anderes zu glauben. Nahezu jedes intelligente Wesen, das jemals gelebt hat, gehörte einer Zivilisation an, die nicht mehr existiert. Warum sollte es mit uns anders sein?«
    »Aber unsere Taten werden Bestand haben.«
    »Wenn wir Glück haben. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch sie nicht überdauern werden.«
    »Das klingt so trostlos, Rotfeder.«
    »Eher anregend, würde ich sagen.«
    »Aber wenn nichts, was wir tun, eine Garantie auf Dauerhaftigkeit hat, wenn selbst die besten Gesten nur eine winzige Chance haben, uns zu überleben – warum geben wir es dann nicht einfach auf?«
    »Es gibt zahllose Gründe, nicht aufzugeben«, sagte Rotfeder. »Wir sind hier, und wir leben. Es ist ein wunderschöner Abend, der letzte vollkommene Sommertag.« Er drehte sich um und nickte den wartenden Hauben zu. »Jetzt lass uns gehen und das Beste daraus machen, solange es geht.«

 
Danksagung
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    Meine tiefe Dankbarkeit gilt
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