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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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hellsten Sterne sichtbar. Der Widerschein der Eiskappe vertrieb jede Hoffnung, die Milchstraße sehen zu können, aber Chromis wusste ungefähr, wo sie sich befinden musste. Irgendwo da draußen, dachte sie, wartete Bella.
    Hinter ihr öffnete sich die Tür. Sie sah, wie Rotfeder auf sie zukam, um ihr Neuigkeiten zu überbringen. Sie musterte seinen ernsten Gesichtsausdruck und spürte, wie sich ihre imaginäre Gefährtin höflich zurückzog.
    »Du hast keine guten Nachrichten, nicht wahr?«
    »Es tut mir leid. Es hätte fast geklappt, aber …« Er bot ihr seine Hände an.
    »Sag es mir.«
    »Dreiundvierzig Ja-Stimmen, neunundvierzig Nein-Stimmen, sieben Enthaltungen.«
    »Verdammt.«
    »Du hättest es fast geschafft, Chromis. Jedenfalls ist es keine überwältigende Niederlage. Es wird eine neue Chance geben.«
    »Ich weiß, aber … verdammt.« Die Enttäuschung kam in langsamen, sanften Wellen, nicht in einem großen, vernichtenden Schwall.
    »Du hast das Saatkorn gepflanzt. Jetzt musst du nur hoffen, dass es in ein paar Delegierten keimt.«
    »Ich hatte gehofft, sie schon in dieser Runde zu überzeugen, Rotfeder. Ich hätte nicht gedacht, dass es so knapp ausgehen würde. Ich habe mir immer nur eine grandiose Niederlage oder einen totalen Sieg vorgestellt. In beiden Fällen hätte ich dieses Gebäude im Gefühl verlassen können, dass meine Arbeit erledigt ist, um entweder mit hängendem Kopf nach Hause zu fliegen, als tragisch gescheiterte Heldin, oder als Siegerin. Stattdessen stehe ich nun vor diesem schmutzigen Kompromiss.«
    »So ist nun mal die Realität«, sagte Rotfeder. »Sie hat schon immer dazu geneigt, epische Momente ins Wasser plumpsen zu lassen.«
    »Wie soll ich sie jetzt noch für meinen Plan gewinnen?«
    »Mit eisernem Willen und unbeirrbarer Hartnäckigkeit.« Er blickte sie mit entsetzter Verständnislosigkeit an. »Du bist doch nicht diesen langen Weg gegangen, um jetzt einfach aufzugeben, oder?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Die Wohltäterin hätte nicht aufgegeben.«
    »Ich weiß.«
    Er trat zu ihr an die Balkonbrüstung und nahm sie tröstend in die Arme. »Ich glaube, wir sollten nun an ihre Schuldgefühle appellieren. Es ist schön und gut, wenn du sie darauf hinweist, wie edel und anständig wir uns fühlen werden, wenn wir dein Vorhaben verwirklichen, aber damit wirst du nur ein paar erreichen. Um die anderen zu gewinnen, solltest du betonen, wie die Zukunft uns sehen wird, wenn wir scheitern. Ruf ihnen ins Gedächtnis, dass es nach historischem Ermessen eines Tages keinen Kongress des Lindblad-Rings mehr geben wird, sondern nur noch Dokumente unserer Entscheidungen.«
    Vielleicht war es nur eine kurze Fluktuation in der femtotechnischen Blase, die den Balkon abschirmte, aber Chromis hätte schwören können, dass sie den Hauch der realen abendlichen Kühle auf ihrer Haut spürte.
    »Das käme der Ketzerei ziemlich nahe, Rotfeder – vor allem, wenn wir uns eigentlich auf die Feier unserer Dauerhaftigkeit vorbereiten sollen.«
    »Zehntausend Jahre sind nur ein Steinchen, das wir in den Canyon der Ewigkeit werfen, Chromis.«
    »Schon gut. Ich werde mit ihren Schuldgefühlen arbeiten.«
    »Gutes Mädchen. Und du solltest dir überlegen, jemanden anderen anzusprechen, der beim nächsten Mal deinen zahmen advocatus diaboli spielt. Ich würde die Rolle gerne wieder übernehmen, aber ich glaube kaum, dass man uns dieses kleine Spielchen ein zweites Mal abnimmt.«
    »Wahrscheinlich hast du Recht.«
    »Kopf hoch. Trotz allem hast du dich hervorragend geschlagen.«
    »Meinst du?«
    »Auf jeden Fall. Ich bin überzeugt, dass du bereits ein paar Konkurrenten aus dem Rennen geworfen hast. Dies war das letzte Mal, dass wir etwas von Springbrunnen gehört haben.«
    »Das ist doch schon etwas.«
    »Das mit der DNS hat großen Eindruck gemacht.«
    »Ich habe nachgedacht«, sagte Chromis, als eine Idee in ihren Gedanken Gestalt annahm. »Der Einwand, den du vorbringen solltest, dass eine Kopie in die falschen Hände fallen könnte.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Es ist eine gute Vorsichtsmaßnahme, dass sich die Botschaft nur mit der DNS der Wohltäterin entschlüsseln lässt. Außerdem hätte ich dann den weiten Weg zum Mars nicht umsonst unternommen. Aber wir könnten noch eine zusätzliche Sicherung einbauen.«
    »Sprich weiter«, forderte Rotfeder sie auf.
    »Ich finde, die Kopie der Botschaft – welche Form sie auch immer annehmen wird – sollte in der Lage sein, selbst zu entscheiden, ob
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