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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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das Bild ein. Offensichtlich war es von einem eifrigen Wissenschaftlerteam bearbeitet worden, das jedes Hexel auf verborgene Informationen abgeklopft hatte.
    »Nach zwei Stunden«, sagte Axford.
    Der Maßstab veränderte sich, und der Zylinder schien schlagartig zurückgesprungen zu sein. Nun war er ein dünner Zweig und das Loch so klein, dass es kaum noch zu erkennen war. »Hier siehst du fast die gesamte Distanz zwischen den zwei Toren der Röhre, die wir zuerst kartiert haben. Die Struktur leuchtet aus sich heraus. Wir wissen nicht, warum sie Licht abgibt, aber dadurch wurde für uns vieles einfacher, wie Nick gesagt hat. Sie mussten nicht warten, bis die Radarechos zurückkehren.«
    Es sah wie ein menschliches Haar aus, dachte Bella, nachgezeichnet mit der Falschfarbendarstellung eines extrem vergrößerten Bildes.
    »Plus sechs Stunden«, sagte Axford.
    Nun war das Loch gar nicht mehr zu erkennen, obwohl ein Pfeil auf die Stelle deutete, wo die Wand verletzt worden war. Der Schacht war ein hauchdünner Faden, tausendmal länger, als er dick war. Und er war nicht mehr der einzige. Zwei weitere Fäden schnitten den ersten in schrägen Winkeln. Einer war etwas dünner und lichtschwächer als der andere.
    »Plus zwölf Stunden«, sagte Axford. »Im Bild wurde die Verzerrung durch das Kielwasser und relativistische Effekte korrigiert. Nach zwölf Stunden bewegte sich die Avenger mit fünfzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit.«
    Jetzt waren es nicht nur drei Zweige der Struktur, sondern ein großes verworrenes Geflecht, das aus Dutzenden von Röhren bestand. Bella konnte keine geometrische Anordnung erkennen. Es sah aus, als wären sie wahllos in den Raum geworfen worden, wie ein verheddertes Wollknäuel.
    »Plus vierundzwanzig Stunden«, sagte Axford. »Ein ganzer Tag ist vergangen. Zu diesem Zeitpunkt war das Signal nur noch unter großen Schwierigkeiten zu empfangen. Eine Echtzeitübertragung war nicht mehr möglich.«
    Bella erschauderte, als sie den extremen Maßstabswechsel sah. Aus einem Zweig war ein kompletter Wald geworden. Einzelne Fäden der Struktur waren kaum noch zu erkennen, dafür wurde die grobe Anordnung im größeren Maßstab ersichtlich. Nun machte es den Eindruck, dass es doch eine bestimmte Anordnung der Fäden gab. Sie bündelten sich zu geflochtenen Gruppen, die einen Durchmesser von mehreren Lichtstunden haben mussten, weiter als die Umlaufbahnen mancher Planeten.
    »Plus neununddreißig Stunden. Das letzte brauchbare Bild. Die Avenger bewegte sich konstant mit neunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit, kurz vor der letzten Beschleunigungsphase.«
    Das Fenster füllte sich mit einem gigantischen, funkelnden Gebilde, das – zumindest kam es Bella so vor – nur zu dem Zweck erschaffen worden war, den menschlichen Geist zu erdrücken. Sie wünschte sich, dass Axford sie festhielte, damit sie nicht in diese lähmende Unermesslichkeit stürzte. Die Struktur war viel, viel größer, als sie sich jemals vorgestellt hatte, in ihrer neuralen Topologie so verworren wie ein Gehirn und von so gigantischen Ausmaßen wie ein gesamtes Planetensystem. Es war ein Torus aus Licht, um fünfundvierzig Grad geneigt, sodass sich die Form plötzlich offenbarte. Erst nach neununddreißig Stunden war es der Avenger gelungen, ein Bild zu erfassen, das die Struktur fast in ihrer Gesamtheit zeigte.
    »Schau in die Mitte«, sagte Axford.
    Bella tat es. Viele Speichen aus Licht – jede ein dicker Zopf, der aus Hunderten einzelner Fäden geflochten war – schoben sich vom Ring nach innen, als wollten sie sich dort miteinander verbinden oder eine Brücke bilden oder einen weiteren Knoten im Zentrum des Torus.
    Aber dort war nichts. Die Stricke zerfaserten wie zerrissene Taue.
    »Dort fehlt etwas«, sagte Bella. »Als wäre das Gebilde noch nicht fertig.«
    »Oder als wäre dort nach der Fertigstellung etwas zerstört worden. Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage, Bella.«
    »Welche Frage?«
    »Wohin die Spicaner verschwunden sind. Vielleicht gab es im Zoo einen Aufstand der Tiere.«
    Teile lange zurückliegender Gespräche kamen ihr in den Sinn – mit einer Freundin aus ferner Vergangenheit, mit einer Frau von großer Weisheit.
    »Also leben die Spicaner nicht mehr.«
    »Oder sie haben sich zurückgezogen. Jedenfalls verändert es das Bild, meinst du nicht auch?«
    Einen Moment lang machten die gewaltigen Verschiebungen des Maßstabs sie schwindlig. »Das ist alles viel zu groß. Was ist es. Wo ist es?«
    »Wir
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