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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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das sie von seinem Gesicht sah, wurde farbig, als das Blut in ihre Augen zurückkehrte. »Ich glaube, ich kenne dich«, sagte sie.
    »Früher sah ich jünger aus.« Er richtete sich auf. »Ich bin Ryan, Bella.«
    »Ryan«, sagte sie.
    »Du erinnerst dich?«
    »Axford«, sagte sie, als würde dieses Wort ihr die heiligen Geheimnisse der Schöpfung erschließen.
    Er nickte zufrieden. »Das ist gut.«
    »Du warst ein kleiner Junge.«
    »Ich bin wieder gealtert. Es ist schon eine Weile her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    Sie erinnerte sich an fast gar nichts. Sie war sich nur der Tatsache sicher, dass sie schon einmal gelebt hatte und dass sie jemanden namens Ryan Axford gekannt hatte. Einen Mann, der bei vielen Gelegenheiten freundlich zu ihr gewesen war, der einst eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem Mann gehabt hatte, der gekommen war, um ihr zu helfen.
    »Was ist mit mir geschehen?«, fragte sie.
    »Du bist gestorben. Dann haben sie dich zu uns zurückgebracht.«
    »Sie?«
    »Die Perückenköpfe.«
    Da war etwas, eine Erinnerungsspur, die beinahe greifbar war. »Aliens.«
    »Du machst dich gut, Bella. Mit der Zeit wird alles wiederkommen.«
    Sie trat aus dem Wasser. Mit ihren Händen war etwas nicht in Ordnung gewesen, sie hatten geschmerzt und waren ihr kaum noch von Nutzen gewesen, aber das war jetzt vorbei. Nun waren sie glatt und gelenkig, wie die ausdrucksvollen Hände einer balinesischen Tänzerin. Nirgendwo in ihrem Körper spürte sie mehr als eine vage Erinnerung an Schmerzen, Steifheit oder Gebrechlichkeit.
    »Wo bin ich?«
    »In der Botschaft. Das heißt, in der neuen.«
    Sie erinnerte sich fast an die alte Botschaft. Das Bild war mit der Andeutung einer größeren, wenn auch undeutlichen Katastrophe verbunden. Es war wie das schwache Unbehagen, das ein Alptraum während des folgenden Tages hervorrufen konnte.
    Etwas Schreckliches war geschehen.
    »Janus«, sagte sie.
    »Kannst du dich an das Ende erinnern?«, fragte Axford sie. Sein Gesicht kam ihr nun vertraut vor, aber es wies Falten und Flecken auf, die zu einem älteren Mann gehörten.
    »Ich habe einen Fehler begangen«, sagte sie.
    »Es war nicht dein Fehler, Bella.«
    Sie sprach, ohne genau zu wissen, was ihre Worte bedeuteten. »Ich bin zu den Moschushunden gegangen. Sie haben mich ausgetrickst. Alles ging schief.«
    Er musterte sie und schwieg eine ganze Weile. »Es stimmt, dass Fehler begangen wurden. Jetzt geht es darum, nach vorn zu blicken und sich nicht wegen alter Fehleinschätzungen zu grämen.«
    Sie erinnerte sich an den Geruch der Moschushunde, bevor sie ein Bild vor dem inneren Auge hatte. Der Geruchssinn war in den älteren Regionen ihres Gehirns verwurzelt und setzte sich über die langsameren, rationaleren Denkvorgänge hinweg.
    Die Moschushunde lösten eine andere Erinnerung in ihr aus. »Svetlana«, sagte sie im panischen Tonfall eines Menschen, dem gerade etwas Dringendes eingefallen war. »Was ist …?«
    »Svetlana ist fort, Bella. Jetzt bist nur noch du hier.« Er hielt ihr eine Hand hin. »Ich will es dir zeigen.«
    Axford führte sie aus dem Garten, in dem sie erwacht war. Sie traten durch eine Milchglastür auf eine Art Galerie. Eine Wand wurde von einem langen, hohen Fenster eingenommen, hinter dem tiefschwarze Mitternacht herrschte. Er hielt ihre Hand fest, umschloss ihre glatten Finger mit seiner ledrigen Haut eines alten Mannes.
    »Also erinnerst du dich an Svetlana.«
    »Sie war meine Freundin.«
    »Aber nicht immer.«
    »Nein«, sagte Bella, als ihr weitere Zusammenhänge klar wurden. »Nicht immer. Nicht mehr, als es zu Ende ging.«
    »Erinnerst du dich, was mit Janus geschehen ist, nachdem die Moschushunde …« Er lächelte gepresst. »Nachdem sie dich ausgetrickst hatten?«
    »Wir mussten Janus verlassen. Evakuierung.«
    »Weil?«
    »Janus stand kurz vor der Explosion. Sie haben etwas damit gemacht, das …« Nur an Ereignisse zu denken, die so kurz vor dem Ende stattgefunden hatten, war ihr äußerst unangenehm. Die selige Ruhe, die sie im Wasser empfunden hatte, war verschwunden und wich dem zunehmenden Gefühl von Verbitterung und Angst. Axford, der es möglicherweise spürte, drückte ihre Hand fester. »Was ist geschehen?«, fragte sie schließlich mit der Bangigkeit eines Kindes.
    »Janus ist explodiert. Aber die meisten von uns haben überlebt. Wir hatten genug Zeit, Crabtree und die anderen Siedlungen zu evakuieren, und mit dem Schlüssel konnten wir durch das Tor in einen anderen Schacht
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