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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher
Autoren: Nancy Kress
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Technik kontrollieren? sagte Pauls Stimme zu mir, während er im Bett lag und es genoß, die Frau zu belehren, die er gerade gevögelt hatte. Der es genoß, oben zu liegen. Vermutlich hatte Lizzie tatsächlich versucht, Brad zu kontrollieren. Wer es kann! hatte Billy gemeint.
    »Lizzie, in Charleston…«
    Sie sprang auf. »Ich sagte, ich gehe nicht! Und ich geh’ auch nicht! Ich hoffe, heute nacht kommt der Angriff! Ich hoffe, ich sterbe dabei!« Schluchzend und durchs Unterholz brechend rannte sie davon.
    Augenblicklich machte ich mich an die Verfolgung, und nach zehn Metern holte ich bereits auf. Sie war schnell, aber ich war muskulöser und hatte die längeren Beine. Sie war noch zwei Schritt entfernt, und mir blieben noch sechs Stunden Tageslicht; ich würde sie verschnüren wie ein Paket und sie so weit von Oak Mountain und der Gefahr wegschleppen, wie ich in sechs Stunden schaffen konnte. Und wenn nötig, würde ich sie dazu bewußtlos schlagen.
    Meine Fingerspitzen berührten ihren Rücken, und sie machte einen weiten Satz vorwärts über einen Haufen Reisig. Ich machte den gleichen Satz hinter ihr her, landete jedoch mit einem verdrehten Knöchel.
    Wie eine Lanze fuhr der Schmerz durch mein Bein. Ich schrie auf. Lizzie hielt keinen Moment lang inne. Vielleicht hielt sie es für einen vorgetäuschten Sturz. Ich versuchte, ihr nachzurufen, aber durch den traumatischen Schock überfiel mich eine plötzliche Woge von Übelkeit. Ich konnte den Kopf gerade noch rechtzeitig zur Seite drehen, ehe ich mich übergeben mußte. Lizzie rannte weiter und verschwand zwischen den Bäumen. Ich hörte sie noch eine Weile, obwohl ich sie nicht mehr sah. Und dann hörte ich sie auch nicht mehr.
    Langsam setzte ich mich auf. Der Schmerz pochte in meinem Knöchel, der bereits anschwoll. Ich konnte nicht feststellen, ob er verstaucht oder gebrochen war. Mirandas Nanotechnik würde ihn in Ordnung bringen, aber natürlich nicht auf der Stelle.
    Mir war kalt, und dann brach mir der Schweiß aus. Nicht ohnmächtig werden! befahl ich mir streng. Nicht jetzt, nicht hier! Lizzie…
    Selbst wenn ich sie wiederfinden sollte, konnte ich sie nirgendwohin tragen.
    Als der Schockzustand nachließ, hinkte ich zurück ins Lager. Jeder Schritt war eine Qual, und nicht nur für meinen Knöchel. Als ich die Ausläufer des Lagers erreichte, kamen mir ein paar Nutzer zu Hilfe und brachten mich zu meinem Zelt. Dort angekommen, fühlte ich den Schmerz nur noch dumpf; inzwischen war es dunkel geworden. Ich sah weder Lizzie noch Annie oder Billy. Lizzies Terminal und der Bibliothekskristall waren aus ihrem Zelt verschwunden.
    Zusammengesunken hockte ich vor dem meinen und betrachtete den Himmel. Es war eine bewölkte Nacht ohne Sterne oder Mond. Die Luft roch nach Regen. Ich erschauerte und hoffte, ich würde mich irren. Komplett und in jeder Hinsicht irren: hinsichtlich der Untergrundbewegung, von der niemand so recht einsehen wollte, daß sie tatsächlich existierte, hinsichtlich ihrer Ziele, hinsichtlich jedes noch so winzigen Details. Was wußte ich denn wirklich?
     
    »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…!«
    Die rot-blaue Doppelhelix pulsierte, überlagert von der rot-weiß-blauen Fahne. WILLE UND IDEAL. Nichts sonst. Wessen Wille? Welches Ideal? Das Gefängnis von Oak Mountain stand dunkel und stumm unter dem rhythmischen Licht.
    »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda!«
    Ich saß still vor dem Zelt und schonte meinen schmerzenden Knöchel. Annie hatte ihn fest mit einem Streifen gewebten Stoff umwickelt, den meine Haut vermutlich gerade im Begriff war aufzufressen. Ich befand mich etwa vierhundert Meter von den zehntausend Stimmen entfernt, aber der monotone Chorgesang driftete bis zu mir herüber.
    Der Himmel war dunkel und bedeckt. Die Sommerluft duftete nach Regen, nach Kiefern, nach wilden Blumen. Zum erstenmal fiel mir auf, daß diese Düfte stärker waren als je zuvor, wogegen der Gestank nach menschlichen Körpern von meinen veränderten Geruchsnerven nur abgeschwächt aufgenommen wurde. Miranda & Co. verstanden ihr Handwerk.
    Fackeln in den Händen der psalmodierenden Menge und Y-Energie-Kegel: eine Mischung von primitivem Lichtschein und gleichmäßigem HighTech-Strahlen. Und darüber das grelle Funkeln. Die breiten Streifen und hellen Sterne der Flagge.
    Das erste Flugzeug kam über Brads namenlosen Berg in unsere Richtung. Es flog ohne Beleuchtung – ein metallisches
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