Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
schlucke. Der Scotch ist lecker. Und irgendetwas sagt mir, dass ich das ganze Glas heute trinken werde.
    »Bist du Alkoholiker?«, frage ich meinen Freund, über den ich nichts weiß.
    »Nein, ich bekomme nur Kopfschmerzen davon. Ich mag keine Kopfschmerzen.«
    Das dürfte die beste Anti-Drogen-Kampagne des Jahrtausends sein! Wer mag schon Kopfschmerzen? Ich mag Scotch, wie ich erneut feststellen muss. Etwas zu gern.
    Ich frage nach einem Wasser und bekomme eins. Das Treffen wurde von mir anberaumt, vielleicht sollte ich das Gespräch ins Laufen bringen. Klar auf den Punkt. Wie bei Margret. Und Gunnar.
    »Vladimir, stimmt das eigentlich, dass du mal bei den Olympischen Spielen mitgemacht hast?«
    Vladimir grinst: »Ja, und du darfst raten, bei welchen.«
    Wie gemein. Aber das Wasser schärft meine Sinne, ich enttarne die Frage als Trick: »Moskau, 1980! Natürlich.«
    Vladimir schaut mich empört an: »Für wie alt hältst du mich, Doris?«
    Jetzt wird es unangenehm: »Wir müssen über etwas anderes reden, dringend, Vladimir«, versuche ich abzulenken, aber er kontert mit dem Gesicht. Nicht, dass ich sein Alter so leichter schätzen könnte, aber es lässt mich kokett werden: »Peking, 2008?«
    Vladimir lacht bitter: »Oh, war ich in China seit wir uns kennen, Doris?«
    Okay, die Geschmacksrichtung kann ich auch, Bürschchen.
    »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Kann gut sein, dass du ab und zu nach China fliegst oder heimlich Millionär bist oder kleine Kinder frisst. Ich weiß gar nichts über dich. Außer, dass du ein guter Geschäftsmann bist, was den Musikalienhandel betrifft.«
    Vladimir steht auf, der Stuhl, auf dem er saß, gibt ein erleichtertes Knarzen von sich. Hastig greift Vladimir nach den Keksen neben dem Bett, vielleicht, um das Kinderfressergerücht zu entkräften, oder um Punkte als Gastgeber zu sammeln. Wir mümmeln angestrengt schweigend vor uns hin, das Wort »eigenbrötlerisch« erschließt sich mir ganz neu. Vladimir wird es als Erster leid, wie ein eingeschnapptes Eichhörnchen herumzuknuspern, und sagt. »Okay Doris, du hast recht. Was willst du wissen? Von mir? Über mich ich beantworte zehn Fragen, und du eine. Ist gerecht?«
    Nein, das wird wahrscheinlich ganz fies, aber mein Wissensdurst ist zu groß:
    »Okay, bei welchen Spielen hast du teilgenommen?«
    »Sydney, 2000.«
    »Nein, echt? Wie ist es so in Australien?«
    »Heiß, aber im Sommer erträglich. Denn im Sommer ist dort deren Winter, nur ohne Schnee. Noch acht Fragen.«
    Ich wusste, dass es unfair wird. Ich wähle weiter die Kategorie »Sport«.
    »Und, in welcher Disziplin?«
    »Gehen.«
    »Gehen?«
    »Gehen. Noch sechs Fragen.«
    Der Mann kämpft mit unlauteren Mitteln. Kein Wunder, er trinkt ja nicht einmal.
    Ich schwenke über auf »Mensch und Natur«, Gewinnstufe 1:
    »Okay Vladimir, wie alt bist du?«
    »Sechsunddreißig.«
    »Niemals! Kannst du das beweisen?«
    »Ja. Du bist so charmant. Und hast noch vier Fragen.«
    »Nur noch vier?«
    »Drei. Du bist nicht besonders gut im Lernen aus Fehlern, oder?«
    Oh doch. »War das deine Frage, Vladimir?«
    Er grinst: »Nein, ich ziehe die Frage zurück, und das geht, weil du sie nicht beantwortet hast. Und du hast jetzt noch zwei Fragen.«
    Gut, die Frage, ob ich gerade mit dem Teufel pokere, kann ich mir sparen.
    »Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?«
    »Romanow.«
    Frau Kindermann, jetzt ist es nicht an der Zeit zu rufen: »Oh, wie die Zaren, bist du verwandt?«, sondern nachzudenken. Du hast noch eine Frage, wähle weise:
    »Was ist los, Vladimir?«
    Er hebt seine Wasserflasche und behauptet: »Eine sehr gute Frage, aber gilt nicht. Ist keine Frage über mich.«
    Kompliziertes Reglement. Vladimir rutscht auf seinem Stuhl herum, der wie durch ein Wunder nicht unter seinem Gewicht zusammenkracht: »Also, jetzt stelle ich dir meine Frage, und danach darfst du mir noch eine stellen. Geht so in Ordnung?« Ich nicke.
    Bin auf alles vorbereitet, kann mir mittlerweile alles Mögliche vorstellen, was Vladimir von mir wissen möchte: Ob ich Rammstein mag oder ob ich Schach spiele. Warum ich ein Fachwerkhaus auf dem Nacken tätowiert habe oder ob ich glaube, dass er mehr aus seinem Typ machen kann. Jetzt weiß ich’s: Er wird mich fragen, warum ich in seinen Koffer geguckt habe, obwohl er mich gebeten hat, es nicht zu tun. Dann wird er mich wieder nach Hause schicken. Wo wir uns gerade so schön unterhalten haben. Ich weiß jetzt, dass es heiß wird in Australien.
    Vladimir fragt:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher