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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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die Stühle in der Schule gepasst habe. Ich war sein Projekt, und er hat es erfolgreich zu Ende gebracht. Beim Abiball habe ich in das Kleid meiner Träume hineingepasst und habe mit dem coolsten Jungen der Schule die Nacht durchgetanzt. Cinderella Kindermann, das war ich an diesem Abend. Und danach noch drei Wochen lang mit Gunnar zusammen.
    Ich weiß wirklich nicht, wieso er jetzt hierher kam. Um zu sehen, ob es mir gut geht? Ob es ihm gut gehen darf? Weil ich vielleicht doch die einzige Frau für ihn war, bis er Katja in Chemnitz getroffen hat? Hat ihm sein Therapeut dazu geraten, mich aufzusuchen, bevor es zu spät ist? Kann alles sein, ich habe versäumt, ihn das zu fragen.
    »Schätze, er hat mich mal geliebt. Früher«, beschließe ich, und Vladimir fährt sich mit den Händen über den Kopf, der so kahl ist wie meiner.
    »Ich war ein Idiot, dir die Gitarre zu schenken, Doris. Aber ich dachte, so wie du liebst unser ›Dead Horst‹, wir könnten weitermachen … zusammen. War Scheißidee, was?«
    Ich muss lachen und werde gleichzeitig wütend: »Ja, ich wünschte wirklich, du hättest mich einfach gefragt, statt einfach immer alles im Alleingang zu regeln. Heimlich. Als wärst du der allmächtige Gott, der alles lenken kann, nach seinem Willen. Das war eine Scheißidee, Vladimir. Warum hast du nicht einmal die Karten auf den Tisch gelegt? Du wusstest das doch längst, mit Raffi. Und Marie. Und du wusstest auch von Anfang an von Katja und Gunnar.«
    Jetzt bin ich nur noch wütend: »Warum hast du mir das nicht einfach gesagt?«
    Vladimir lässt die Schultern hängen und murmelt: »Bin altmodisch, schätze ich.«
    Nein, altmodisch ist nicht das richtige Adjektiv, das ist nicht ausreichend, Vladimir Romanow, ganz und gar nicht:
    »Du bist nicht altmodisch, du bist gemeingefährlich. Du hast Katja und Gunnar schuften lassen in der Kneipe, hast sie erpresst. Oder was sollte das sonst mit dem Zahn, den du aus der Manteltasche hervorzauberst? Du hast sie für dich arbeiten lassen, Katja hat wahrscheinlich ihr ganzes Geld ausgegeben für die furchtbaren Fliesen. Du hättest es sogar riskiert, dass Katja ihren Andi heiratet und dem ein Kuckucksei ins Nest legt. Du hättest sie leiden lassen, alle drei, für den Rest ihres Lebens …«
    Vladimir setzt sich. Auf den Boden, direkt vor mich. So kann ich nicht aufstehen und weggehen. Was ich dringend tun sollte. Was mache ich noch hier?
    Vladimir blickt zu mir hoch. Es stimmt etwas nicht mit ihm. Er hat seine Augenbrauen getrimmt. »War keine Erpressung, Doris. War Chance. Gunnar und Katja hätten dir so oft sagen können, dass sie eine Affäre hatten. Ich wusste nicht, dass Katja schwanger ist und Andi so ein großer Trottel. Und du, du hättest auch erraten können, dass sie dich betrügen. Beide. Sehr oft.«
    Hätte ich. Ich eitles kleines Ding. Ich blinde Kuh.
    »Vladimir, was wird das hier? König Drosselbart?«
    Vladimirs Brauen treffen sich nicht mehr in der Mitte, auch, wenn er sie angestrengt nachdenkend zusammenschiebt. Aber sonst sieht es sehr natürlich aus, nicht zu weibisch. Eben auch ein echter Kerl, der Vladimir. Denen muss man auf die Sprünge helfen, habe ich kürzlich gelernt:
    »Lass mich die Frage anders formulieren, Vladimir: Bist du in mich verliebt?«
    Okay, okay, schon klar. Blöde Frage.
    Ich kann ihn jetzt nicht ansehen. Schaue mich im Raum um. Gut, dass hier so viele Bücher rumstehen, da gibt es viel zu gucken. Alles in kyrillischer Schrift, wie ich bemerke. Ich mag ja die russische Sprache. Wahrscheinlich, weil ich sie nicht verstehe. Ich mag auch Vladimir. Aber ich bin nicht in ihn verliebt, nein. Ich liebe ihn nicht. Ich kenne ihn ja gar nicht. Wir haben auch überhaupt gar keine Gemeinsamkeiten. Gut, wir stehen auf dieselbe Musik. Und haben beide geschorene Köpfe. Eine hervorragende Basis, für was auch immer. Was weiß ich von einer guten Basis? Ich weiß nur, wie es nicht funktioniert. Jetzt muss ich ihn doch wieder ansehen, er schaut weg. Aber er kann mich ja gut hören, wozu hätte er sonst so große Ohren?
    »Vladimir, du wirst diesen Kasten hier, den du wahrscheinlich geerbt hast, nicht verkaufen und gegen das ›Dead Horst‹ tauschen. Was für ein Schwachsinn. Was hattest du denn als Nächstes vor, mir die Augen verbinden, mich zum ›Horst‹ entführen und mir dann die halbe Kneipe schenken? Und sie dann wieder so herzurichten, wie … wie vor zwei Wochen? Das hätte doch nie geklappt, Vladimir.«
    Er hatte es bestimmt lieb
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