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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Geistesblitz zu durchzucken, und sie schwenkt unerwartet wieder ins Semiprofessionelle über:
    »Jedenfalls, es geht ja um Ihre Daten, ich meine, um Ihren Gewinn, Ihr Auto, Ihre Chance! Wo darf ich denn das Sonderlos hinschicken, Frau Kindermann?«
    Ich lege auf.
    Und fühle mich sofort schlecht. Wieder einmal völlig verantwortungslos gehandelt, ein Vertrauensverhältnis schändlich missbraucht, einen jungen Menschen schwer enttäuscht. Und zwei Kippen vor dem Frühstück geraucht. So sollte kein Tag beginnen, aus dem noch ein guter werden soll.
    Vielleicht kann ich das irgendwie wieder hinbiegen. Ich tippe auf den Tasten meines Telefons herum, um Loreen zurückzurufen. Das funktioniert nicht, da die Two-be-Two-Media AG natürlich mit unterdrückter Nummer bei ihren Opfern anruft. Wie dumm von denen. Ich gehe in die Küche, stelle erfreut fest, dass ich tatsächlich noch über eine kleine Kaffeereserve verfüge und setze Wasser auf. Müde starre ich in den Topf und beschließe, eine Runde »Wär’ ich Millionär« zu spielen, bis das Wasser kocht.
    Wär’ ich Millionär, überlege ich, würde ich als Erstes herausfinden, wo die Two-be-Two-Media AG ihr Büro hat, und dort würde ich ein Auto hinbestellen. Nichts Großes, eher einen praktischen Kleinwagen, mit dem Loreen einfach einparken kann. Aber mit einer riesigen rosafarbenen Schleife drumherum und einer Karte, wo nur draufsteht: »Für Loreen, lebe deinen Traum!«
    Ja, es hat einen Grund, warum meine finanziellen Mittel begrenzt sind. Bei meinem Glück würde irgendeine Kollegin von Loreen tatsächlich Loreen heißen, und die würde sich den Twingo unter den Nagel reißen und direkt verscheuern. Der Traum der echten Loreen wäre nämlich der, sich eine großflächige Tätowierung auf den Rücken meißeln zu lassen, wahrscheinlich das Thor-Steinar-Logo.
    Aber es gibt auch Beruhigendes von mir zu berichten: Ganz gleich, wie krank meine Fantasien auch sein mögen, ich hänge ihnen nur so lange nach, bis der Kaffee fertig ist. Meistens.
    Mein Telefon klingelt erneut, und ich renne zurück ins Schlafzimmer.
    »Loreen?«, keuche ich in den Hörer, und eine verdutzte Stimme antwortet mir:
    »Äh, Loreen. Hier ist die Katja, könnte ich die Doki sprechen, also die Doris?«
    »Am Apparat«, gebe ich zu, obwohl ich gerade gar keine Lust habe, mit Katja zu telefonieren. Katja ruft nämlich nur an, wenn der Weltuntergang bevorsteht, eine Veranstaltung, die in ihrer Wahrnehmung im Schnitt dreimal pro Woche stattfindet. So auch jetzt: »Boah, Doki, gut dass ich dich erreiche, ey, mein Auto ist kaputt. Totalschaden, da geht nichts mehr!«
    »Oh Gott, was ist passiert? Bist du okay?«, frage ich so aufgeregt wie möglich, weil ich weiß, dass Katja es liebt, wenn ich bei ihren Dramen so lange mitspiele, bis sie genug davon hat.
    »Nee, bei mir ist alles in Ordnung, der Andi saß ja nur da drin, als es passiert ist.«
    Andi ist Katjas Freund. Jedenfalls leben sie seit acht Jahren zusammen, und alle fragen sich: Warum? Aufgrund der hohen Dichte an »Andis« in unserem Freundeskreis ist mittlerweile jeder dazu übergegangen, Katjas Andi nur noch als »Katjas Andi« zu bezeichnen. Sogar in seinem Beisein. Nur Katja nennt ihren Andi wahlweise »Dummbatz« oder in einem zusammenhängenden Satz auch gerne nur »der Andi«.
    »Geht’s deinem Andi denn gut?«, frage ich höflich nach und sehe bildlich vor mir, wie Katja an ihrer albernen Frisierkommode sitzt und ärgerlich abwinkt, als würde sie eine Fliege verscheuchen:
    »Ach der, ja, der hat sich noch aufgeregt, dass die Karre nicht ansprang, weil er ja sooo dringend zu seiner wichtigen Arbeit musste …«
    Ich unterbreche: »Katja, du sagtest was von Totalschaden, was ist denn nun mit deinem Wagen?«
    Katja schnalzt ungeduldig mit der Zunge: »Also, für mich ist das ein Totalschaden, wenn ein Auto nicht mehr fährt, oder? Ich meine, Autos sollten fahren, oder?«
    Ich stimme zu und stelle mir vor, wie meine Freundin Katja und die falsche Loreen ausschweifende, wenn auch wenig fachkundige Gespräche über Kraftfahrzeuge miteinander führen würden. Aber aus irgendeinem Grunde wollen beide lieber mit mir telefonieren.
    »Also, was tun wir?«, fragt Katja mich nun, »ich meine, wegen heute Abend?«
    »Hä?«, sage ich, um Zeit zu schinden, und das bringt Katja in Höchstform.
    »Hallo, Doki, heute Abend, das Konzert, im »Deee Aitsch«! Wie soll ich denn dahin kommen, mit der Bahn vielleicht?«
    »Zum Beispiel«, rege ich an und
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