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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Menge Kohle verdienen, und zwar auf ehrliche Weise. Abgesehen davon hängst du mir zuviel vor dem Computer rum und bist mir eindeutig zu wehleidig. Du suchst die Schuld für deine Fehler immer bei anderen, und …«
    Ludi sieht mich an, als wäre ich nicht ganz dicht, und mir wird schlagartig klar, dass ich jetzt gerade eine Grenze überschritten habe, wahrscheinlich aufgrund akuter Unterzuckerung, also füge ich nur noch hinzu: »Du bist einfach nicht mein Typ, sorry.«
    Ludi nickt langsam, und klopft mir beruhigend auf die Schulter: »Äh, Doki, war nur ein Scherz, okay?«
    Ich nicke, noch langsamer, Ludis Ton bereitet mir Sorge:
    »Und, hey, falls du mal reden möchtest, so über deine Gefühle oder deinen idiotischen Exfreund, ich bin immer da, das weißt du, oder?« Das anschließende Zwinkern hätte er sich sparen können, aber das Weglaufen im selben Moment war ein schlauer Schachzug von ihm.
    »Du Arschloch«, rufe ich ihm hinterher, »ich erteile dir Hausverbot, echt!«
    »Danke für die Kippe«, höre ich Ludi noch durchs Treppenhaus rufen, und will ihm schon zum Café folgen, aber da höre ich wieder die Stimme einer höheren Macht:
    « Doris, kannst du mal bitte zu mir hochkommen?«
    »Klar, Margret, klar«, nuschle ich, drücke die Zigarette aus und laufe so rot an, wie Kira es wahrscheinlich im selben Moment im Café tut, denn als ich die Treppe hochflitze, kann ich noch hören, wie Ludi zu ihr sagt: »Wenn ich nur fünf Jahre älter wäre, wie wäre es dann mit uns?«
    Hoffentlich arbeite ich noch so lange hier, bis ich ihm tatsächlich Hausverbot erteilen kann. Wegen Altersdiskriminierung.
    Mein Plan von heute Morgen hat halbwegs hingehauen. Ich bin leicht angetrunken, habe aber weder Baguette vorbestellt noch Katjas Lieblingsbettwäsche gewaschen. Dazu hätte ich ja von der Arbeit aus erst einmal wieder zu mir nach Hause gehen müssen, aber ich habe es nur bis zu meinem Therapeuten geschafft. Der sitzt auf einem Barhocker hinter der Theke und poliert Gläser, während ich ihm mein Herz ausschütte:
    »Ich weiß nicht, Toddy, irgendwie kommt es mir so vor, als würden die mich bei der Arbeit verarschen«, vertraue ich ihm an, und Toddy nickt mit düsterer Miene: »Ja, Raphael hat sich neulich geweigert, mir das Taxi zu bezahlen.«
    Toddy hat keine klassische Ausbildung genossen, weder als Barkeeper noch als Psychotherapeut. Dafür ist sein Honorar bescheiden, allerdings bekommt er das mit dem Zuhören noch nicht so richtig hin. Wenn man ihm ein Stichwort gibt, redet er die meiste Zeit selber, so auch jetzt: »Doki, ich meine, es war fünf Uhr morgens, keine Bahn fuhr mehr, und ich war stockbesoffen. Und als ich Raffi dann geweckt habe, meinte er, es gibt kein Taxigeld! Was stellt der sich vor, dass ich in der Küche schlafe?«
    Toddy schmettert das Glas wütend auf das Regal hinter ihm, ich überlege, wie ich möglichst elegant vom Thema ablenken kann. Toddy arbeitet seit über dreizehn Jahren hier, seit dem Tag, an dem er seinen Rückflug nach Schottland verpasst hat und er seinen Deckel nicht zahlen konnte. Raphael, der Besitzer des »Dead Horst« hat ihm den Job verschafft, ihm deutsch beigebracht, ihn beherbergt, er hat Toddy quasi adoptiert, aber wie es scheint, durchläuft Raffis Mündel gerade eine pubertäre Trotzphase. Toddy betrinkt sich bei jeder Schicht und schläft oft schon während der Arbeit in der Küche ein. Ich erwähne das lieber nicht, sondern erzähle wieder von meinem Tag: »Nein, Toddy, bei mir ist das anders: Meine Chefin nimmt mich immer in Schutz, egal, was ich tue oder lasse, dieses bescheuerte Jugendzentrum ist nur ein Prestigeobjekt für die Stadt, und ich komme mir vollkommen fehl am Platze vor. Es ist so …«, ich suche nach einem passenden Vergleich, Toddy mustert mich mit zusammengekniffenen Augen: »… als wäre ich ein Politiker, der nach Brüssel weggelobt wurde. Damit er nicht mehr stört, verstehst du? Ich bin wie Edmund Stoiber, verdammt!«
    Auf diese Erkenntnis muss ich noch ein Bier trinken, Toddy knallt es mir vor die Nase und grunzt: »Doki, ich weiß nicht, warum du ein ›Stoiber‹ bist, aber was du da sagst ist eindeutig Luxusgejammer!« Toddy nickt zufrieden.
    »Luxusgejammer« ist sein Lieblingswort. Seine Freundin hat es ihm beigebracht, und Toddy nutzt es als eine Art Zauberformel, wenn Gäste sich ungefragt bei ihm aufdrängen. Wenn Toddy »Luxusgejammer« sagt, ist die Therapiestunde beendet, und der Patient fühlt sich in der Regel so schlecht,
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