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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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mehr über meinen Namen, da ich mich gar nicht mehr daran erinnern konnte, wie der lautete.
    Zu dieser Zeit schwor Toddy noch auf die extrem körperbetonte Konfrontationstherapie, und das Konzept überzeugte mich sechs Wochen lang. Bis ich zufällig eine Frau traf, die ebenfalls seine Patientin war. Zumindest stand sie unter seiner Dusche, zusammen mit Toddy.
    Rotz und Wasser habe ich damals geheult, in meiner winzigen Wohnung, ein Häuflein Elend, das vor einem halben Jahr in die große Stadt gezogen war, weil man dort so exotische Dinge tun konnte wie etwas zu studieren, das einen nicht Buchhalterin werden lassen würde. Meine total erwachsene Romanze mit einem schottischen Nymphomanen war ebenso dahin wie mein Ehrgeiz, eine Hausaufgabe über »Die Symbolhaftigkeit der anonymen Stadt im frühen Film Noir im Vergleich zur beklemmenden Bedrohung der Ländlichkeit im Werke von David Lynch« zu verfassen.
    Tatsächlich bin ich mit dem Werk nicht viel weiter gekommen als bis zu der Stelle, über die Katja sich gerade königlich amüsiert. Sie liegt auf meiner Couch und strampelt mit den Beinen in der Luft, als sie die mir nur allzu bekannten Zeilen vorträgt: »Klaustrophobie und Fremdbestimmung bedrohen den modernen Menschen zwar auch in der Anonymität der Metropole, aber viel mehr noch im scheinbaren Idyll der Dörflichkeit. Siehe auch ›Nichts macht dich so fertig wie deine Heimatstadt‹, Spruch auf Postkarte, circa 1990‹.Was ist das? Ist das deine Quellenangabe, Doki?«, kreischt meine beste Freundin und verfällt in ein Crescendo fiesen Gackerns.
    »Das wollte ich noch genauer recherchieren«, behaupte ich. Dabei weiß ich noch genau, dass ich an dieser Stelle meiner Hausarbeit den Computer aus- und die Realität eingeschaltet hatte. Ich entschied, nicht ins scheinbare Idyll zurückzukehren, sondern der bedrohlichen Metropole die Stirn zu bieten. Statt arbeitslose Filmwissenschaftlerin zu werden, wollte ich etwas Sinnvolles tun, Menschen helfen, die unverschuldet in Not geraten waren. Drogen und Prostitution den Kampf ansagen. Und da die Fachhochschule den Studiengang ›Batmanwerden in acht Semestern‹ nicht anbot, schrieb ich mich für Sozialarbeit ein. Eine gute Wahl, die mich vom Frustfressen und Twin-Peak s-Schauen abhielt. Ich nahm zehn Kilo ab und jede Menge Selbstbewusstsein zu.
    Als ich mich Monate später erstmals wieder ins »Dead Horst« wagte, um Toddy meinen neuen, verbesserten Körper zu präsentieren, fand ich den Kerl auch dort, selig lächelnd in den Armen einer überirdisch schönen Schwarzhaarigen. Und Toddy zwinkerte mir anerkennend zu, leichtsinnigerweise. Die Schönheit schüttete ihm daraufhin einen Wodka Lemon ins Gesicht, und zwar in einem so ungünstig gewählten Winkel, dass Glas und Toddys Nase brachen. Er fluchte heftig, die Schwarzhaarige weinte heftiger.
    Als künftige Sozialarbeiterin schwang ich mich selbstredend zu Ersthelferin auf und brachte die beiden ins nächstgelegene Krankenhaus. Während Toddy verarztet wurde, kam ich mit der temperamentvollen Attentäterin ins Gespräch, und tatsächlich fanden wir noch eine Menge weitere Gemeinsamkeiten als die, von Toddy als Zweitfreundin ausgenutzt worden zu sein.
    So lernte ich Katja kennen.
    Heute ist unser zehnter Jahrestag, und da wir keine zwanzig mehr sind, wollen wir diesen nicht mit Aschenbecherweitwurf oder im Krankenhaus verbringen, sondern stilvoller.
    Natürlich im »Dead Horst« , wo alles begann, aber nicht zu nostalgisch, und auf keinen Fall wollen wir den alten Zeiten mit Toddy nachtrauern. Sanft entreiße ich Katja also den Entwurf meiner ersten Hausaufgabe, um auf ein Thema überzuleiten, das immer Leben in die Bude bringt: Luxusgejammer-Linda.
    »Ich habe dem Mann vielleicht die Nase gebrochen, aber die Frau hat den Mann kastriert«, empört sich Katja und trinkt einen von den Schnäpsen, die wir eigentlich heute auslassen wollten. Ich trinke auch einen, damit mein Mund voll ist. Das hält mich davor zurück, reflexartig etwas zu erwidern wie: »Ja, gibt ja nix Schlimmeres als einen Mann, der unterm Pantoffel steht. Wie geht’s eigentlich deinem Andi?«
    Ich schlucke und nicke fleißig, Katja schaut sich missbilligend in meiner Wohnung um: »Doki, wie kann man so leben? Hast du in den letzten zehn Jahren eigentlich mal irgendetwas hier gemacht wie … staubsaugen oder so?«
    Ich gieße uns beiden noch einen nach. Katja übertreibt maßlos. Bis vor drei Monaten besaß ich einen Staubsauger, den ich auch
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