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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Letzteres erweist sich schon aus dem Grunde als unmachbar, da Katja mich nun im Schwitzkasten hält. Ich winsele um Gnade: »Aufhören, aufhören, wir müssen los«, röchle ich listig, und Katja lässt meinen Kopf unsanft auf die Sofalehne knallen: »Du hast vollkommen recht, ich sollte mich schnell fertig machen.« Im selben Moment ist Katja aufgesprungen und in mein Badezimmer entwischt.
    Sorgenvoll blicke ich auf die Uhr. Kurz nach neun. Das Konzert fängt gegen zehn an. Bei Katjas Kosmetiktempo haben wir eine gute Chance, die letzten drei Songs mitzubekommen.
    »Kannst du dich ein bisschen beeilen?«, rufe ich zaghaft Richtung Bad, und meine beste Freundin antwortet: »Ich beeile mich immer! Wenn dir langweilig wird, kannst du ja solange die Gläser spülen.«
    »Jaaaa, Mutter«, rufe ich genervt, aber stattdessen rauche ich noch eine. Vielleicht könnte ich in der Zeit, in der Katja mein Bad okkupiert, auch meine Hausarbeit über bedrohliche Käffer im Film vernichten. Oder sie zu Ende schreiben. Vielleicht bestelle ich auch einfach schon mal ein Taxi.

IV
    N a, die Damen, erst zum Flughafen und dann ab nach Hollywood?«, witzelt der Taxifahrer, obwohl er erst ein Drittel von Katja gesehen hat. In anderen Städten beschweren sie sich über unfreundliche Busfahrer, hier kann man froh sein, wenn der Taxifahrer einem nicht schon beim Einsteigen einen Heiratsantrag macht. Katja steigt formvollendet durch die Hintertür ein und tut etwas, wofür ich sie besonders liebe. Sie bricht Stil.
    Zuerst wirft sie kokett ihre Mähne über die Schulter, gibt dadurch einen Blick auf ihre dicht tätowierte Schulter frei, alsdann entfährt ein lauter Rülpser ihrem Kirschmund: »Nä, heute mal lieber gemütlich. Fahren sie uns in die Platenstraße, Ecke Dingsring. Kennen Sie das »Dead Horst«? Setzen Sie uns einfach an der Ampel davor ab.«
    Der Fahrer nickt düster, und ich kann sehen, was er kopfschüttelnd denkt: »So ein hübsches Ding, und dann muss es sich so verunstalten.«
    Ich grinse, während Katja es auf die Spitze treibt: »Ach ja, Frau Kindermann, so lange können wir heute nicht bleiben, ich habe am Montag Vorstandssitzung, da muss ich noch die Präsentation vorbereiten.«
    Ich nicke, um einen ernsten Gesichtsausdruck bemüht. Der Fahrer verpasst die Abfahrt.
    »Rechts ab wäre jetzt günstig gewesen«, kommentiert die Vorstandsvorsitzende des Kleingartenvereins »Wilde Ranken e. V. von 1999«, und fügt geistreich hinzu: »Zeit ist Geld, aber bestimmt nicht meins, klar?«
    Unser Chauffeur sieht mich hilflos an, ich schaue so strafend, wie ich kann.
    »Entschuldigung, Sie haben natürlich recht«, knurrt er, Katja rückt ihre Brüste zurecht. Der Fahrer schaltet die Uhr aus.
    »Was geht denn heute im »Horst«?, fragt er dann, bemüht um einen Ton, der ausdrücken soll, dass er dort jeden zweiten Freitag die Tanzfläche zu rocken pflegt.
    »Och, so das Übliche«, behaupte ich, »gemischtes Publikum, Live-Band aus Finnland, danach eine gepflegte Orgie mit Jungfrauenopfern.«
    Der Fahrer schaltet die Uhr wieder an. Ich muss noch viel lernen von der Meisterin. »So ein Quatsch«, meldet die sich wieder zu Wort, »Frau Kindermann beliebt zu Scherzen. Solcherlei Amüsements sind dort gar nicht üblich, werter Herr.«
    Der Fahrer lächelt schelmisch: »Schon klar, Lady, würde ja aus gewissen Gründen schon schwierig.«
    »Welche?«, frage ich, jetzt ernsthaft interessiert.
    »Keine Jungfrauen da«, bemerkt er knapp und entlockt Katja damit ein Lachen, das im Tonstudio unter »erkältete Elchkuh« archiviert ist. Der Fahrer gibt den röhrenden Hirsch dazu, ich mache auf Bambi, indem ich verwundert aus der Wäsche schaue. Katjas Begeisterung für den ungepflegten Herrenwitz wird mir immer ein Rätsel bleiben.
    Der Fahrer blinkt und fährt hinter der Ampel rechts ran.
    »So Mädels, vielen Dank für die gute Unterhaltung, sagen wir fünf Euro.«
    Er schaut mich herausfordernd an, aber Katja hält ihm schon einen zusammengerollten Zehner entgegen: »Stimmt so«, flötet sie, »die Freude war ganz auf unserer Seite.«
    Sie entsteigt dem Fahrzeug wie die junge Grace Kelly, ich muss mich erst aus meinem Gurt winden. Der letzte Blick des Taxifahrers sagt mir: »Was für ein Klasseweib, hast du ein Glück.«
    Das weiß ich doch.
    Kaum stehe ich auf der Straße, grunzt Katja: »Mein Gott, ist das Raphael?«
    Sie deutet in die Richtung, von der aus uns die Lichter unseres Heimathafens entgegenleuchten; ungefähr zwanzig Gestalten
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